Als nach der Havarie des japanischen Atomkraftwerks Fukushima im Jahr 2011 von der Bundesregierung beschlossen wurde, bis 2022 sämtliche Atomkraftwerke in Deutschland abzuschalten, wurde das nicht nur von Atomkraftkritikern als der richtige Schritt in die Zukunft betrachtet. Wirtschaftlich gesehen sollte der Beschluss eine Weichenstellung einläuten, die Deutschland in die Spitzenliga der auf zukunftsweisende Technologien setzenden Nationen befördert.
Primat der Ökonomie – Teil I
Das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) hat wesentlich dazu beigetragen, die Wende zu vollziehen, indem es die nötigen wirtschaftlichen Anreize setzte. Dennoch gelang es der Politik, die Kosten für diese zunächst innovativ erscheinende Energiepolitik überwiegend auf die Privatverbraucher abzuwälzen, während die tatsächlichen Gewinner der Energiewende die zahlreichen Unternehmen waren, die sich aufgrund von Schlupflöchern im Gesetz von der EEG-Umlage befreien konnten.
Nach einer ersten oberflächlichen Betrachtung ist die Energiewende indessen insofern gelungen, als 2018 der Strombedarf in Deutschland bereits zu 40% aus Wasser-, Wind- und Solarkraft abgedeckt wurde.
Dies bedeutet indessen nicht, dass auch die Treibhausgasemissionen um 40% gesenkt worden wären. Die Verbrennung fossiler Brennstoffe in den Kohle- und Gaskraftwerken (37%), aber auch in den Heizungen (13%) und im Verkehr (16%), und die Produktion von Treibhausgasen in der Landwirtschaft (8%) und der Industrie (7%) sorgen dafür, dass das Einsparungsziel bis 2020 voraussichtlich um 25% verfehlt wird.
Tatsächlich wird von der Großen Koalition derzeit eine Politik betrieben, die den ursprünglichen Absichten zuwiderläuft und den Ausbau der ‚Erneuerbaren‘ geradezu ausbremst. „Die Solar- und die Biogasbranche“, schreibt der Grünen-Politiker Oliver Krischer in einem Gastbeitrag vom 30.11.2018, „sind regelrecht niedergeknüppelt worden mit immer neuen Vergütungskürzungen und – schlimmer noch – der unnützen Belastung mit der EEG-Umlage auf Eigenstrom. Der Zubau beim Biogas ist minimal und der jährliche Solar-Ausbau dümpelte zeitweise selbst unterhalb der gemessen an den Klimaschutzzielen viel zu niedrigen 2000-Megawatt-Marke dahin.“
Zu welchem Behufe, fragt man sich.
Stattdessen werden Konzerne wie E.ON und RWE protegiert, die herausgefunden haben, dass sich mit der Verbrennung fossiler Brennstoffe und dem überdies subventionierten Atomstrom nach wie vor hervorragend schnelles Geld verdienen lässt.
Primat der Ökonomie – Teil II
Dass es bei jener Entscheidung im Jahr 2011 ausschließlich um wirtschaftliche Interessen ging, jedoch keineswegs um eine Einsicht in die letztendliche Unbeherrschbarkeit der Atomtechnologie und den entsprechenden Schutz der Bevölkerung vor ihr, zeigen sozusagen ergänzend die neuesten Enthüllungen.
Denn: Seit 2017 investiert der Bund in Beteiligungen an Atomkonzernen, darunter Engie Electrabel SA, den Betreiber der beiden belgischen Atomkraftwerke Tihange und Doel.
Ausgerechnet!– geraten doch eben diese beiden Meiler wegen gravierender Mängel immer wieder in die Schlagzeilen. Das mehrfach erhöhte Risiko einer Havarie in ihnen wird dabei nicht nur von Atomkraftgegnern konstatiert, sondern auch von belgischen, holländischen und deutschen Ingenieuren und Fachleuten bestätigt. So hat der Bundesrat Mitte Februar 2019 die Bundesregierung aufgefordert „sich für ein umgehendes Ende des Betriebs der entsprechenden Risikokernkraftwerke einzusetzen.“
Interessant auch, woher die Gelder für derartige Investitionen stammen – nämlich zunächst aus den Pensionsrücklagen für BeamtInnen und SoldatInnen und seit 2018 zusätzlich aus dem Bundessondervermögen der Pflege- und Arbeitslosenversicherung.
Waren es im Juni 2017 noch 33 Millionen, die der Bund in europäischen Betreiberfirmen von Atomkraftwerken anlegte, stieg die Investitionssumme bis Ende 2018 bereits auf über 300 Millionen, wovon allein Engie-Electrabel-Aktien im Wert von 18,9 Millionen Euro erworben wurden – und das entgegen dem Beschluss im Koalitionsvertrag vom 14. März 2018, in dem es hieß, es habe die „Beendigung aller Beteiligungen staatlicher Fonds an AKWs im Ausland“ zu erfolgen.
Hier macht sich die Politik abermals unglaubwürdig – der Beschluss im Koalitionsvertrag wird ganz offensichtlich unterlaufen und den reinen Geschäftsinteressen geopfert.
Es ist daher mitnichten abwegig, den Verbleib Deutschlands im 1957 von Deutschland, Frankreich, Italien und den Beneluxstaaten unterzeichneten EURATOM-Vertrag als eine mögliche Eintrittspforte in den Ausstieg aus dem Ausstieg zu betrachten.