Das Anti-Atom-Netz Trier ist entsetzt: Der französische Energiekonzern EDF plant nicht nur neue Atomkraftwerke (AKWs) am Standort Gravelines an der nordfranzösischen Küste, sondern will auch die Laufzeit des Risikoreaktors Cattenom verlängern. Diese Entscheidungen ignorieren die Gefahren, die die Klimakatastrophe für Atomkraftwerke mit sich bringt, wie ein aktueller Bericht von Greenpeace France („La centrale nucléaire de Gravelines, un château de sable en bord de mer„) deutlich zeigt. Auch Cattenom, in unmittelbarer Nähe zu Trier gelegen, ist durch die Klimakrise massiv bedroht.
Gravelines: Ein AKW auf Sand gebaut?
Der Standort Gravelines liegt in einem Gebiet, das zum großen Teil unter dem Meeresspiegel liegt. Um das AKW vor Überflutungen zu schützen, wurde es auf einem künstlich erhöhten Gelände errichtet. Nun plant EDF den Bau neuer Reaktoren auf einer noch höheren Plattform, die 11 Meter über dem Meeresspiegel liegen soll. Doch diese vermeintliche Schutzmaßnahme birgt eine fatale Gefahr: Bei einem extremen Anstieg des Meeresspiegels, wie er durch die Klimakatastrophe immer wahrscheinlicher wird, droht das gesamte Gelände des AKW zur Insel zu werden. Im Falle einer solchen Überflutung wären die Kühlung der Reaktoren, die Stromversorgung und der Zugang zum Gelände nicht mehr gewährleistet. Ein schwerer Unfall mit unabsehbaren Folgen wäre die Konsequenz.
Cattenom: Ein veraltetes AKW mit unkalkulierbaren Risiken
Doch nicht nur die Neubaupläne in Gravelines sind besorgniserregend. Auch die geplante Laufzeitverlängerung für Cattenom stellt ein unverantwortliches Risiko dar. Das AKW, dessen Reaktoren auf einem veralteten Konzept aus den 70er Jahren beruhen, ist den Folgen der Klimakatastrophe in besonderem Maße ausgesetzt. Zwar liegt Cattenom selbst hoch genug, um nicht direkt von einem Hochwasser der Mosel betroffen zu sein. Doch die Pumpwerke, die das Moselwasser zur Kühlung in das AKW pumpen, könnten bei einer Überflutung ausfallen. Eine noch größere Gefahr geht vom Mirgenbach-Stausee aus, der als Notkühlreservoir in unmittelbarer Nähe des AKW-Komplexes liegt. Bei extremen Regenfällen könnte dieser über die Ufer treten und das AKW-Gelände überfluten. Besonders fatal: Die Notstromdiesel, die im Falle eines Stromausfalls die Kühlung der Reaktoren gewährleisten sollen, stehen in den Untergeschossen des AKW und wären somit ebenfalls überschwemmt. Ganz zu schweigen von mangelnder Erdbebensicherheit und den Problemen, die durch extreme Trockenperioden und der damit verbundene Wasserknappheit für die Kühlung der Reaktoren entstehen können.
Luxemburgs Kritik: Unzureichende Sicherheitsvorkehrungen
Die luxemburgische Regierung hat in einer jüngsten Stellungnahme ihre Besorgnis über die geplante Laufzeitverlängerung zum Ausdruck gebracht und die mangelhafte Transparenz sowie unzureichende Sicherheitsmaßnahmen kritisiert. Die von EDF vorgeschlagenen Sicherheitsverbesserungen reichen nicht aus, um die gravierenden Risiken zu neutralisieren, die von diesem alternden Atomkraftwerk ausgehen. Besonders die Unvorhersehbarkeit zukünftiger Klimaentwicklungen fließt nicht ausreichend in die Sicherheitsüberlegungen ein. Wenn man die rapiden Veränderungen der klimatischen Bedingungen bedenkt, reicht die bloße Reaktion auf bestehende Wetterextreme nicht aus. Die unkontrollierbare Kraft der Natur, verstärkt durch die Klimakrise, könnte leicht zur Achillesferse von Cattenom werden.
Modernisierung von Cattenom? Ein Trugschluss!
EDF verspricht zwar eine sorgfältige Aufrüstung von Cattenom, die sich am neuen Europäischen Druckwasserreaktor (EPR) orientiert. Doch diese Beteuerungen sind nichts wert, da sich die Modernisierung an einem von vornherein mangelhaften Reaktortyp orientiert. Wie das aktuelle „.ausgestrahlt“-Magazin Nr. 62 aufdeckt, muss bereits kurz nach Inbetriebnahme des EPR in Flamanville eine Vielzahl von Komponenten ausgetauscht werden, darunter der Reaktordruckbehälterdeckel und mehrere Wärmetauscher. Zudem besteht der Verdacht auf Herstellungsfehler bei ca. 300 Bauteilen, viele davon sicherheitsrelevant. Diese Schwachstellen zeigen, dass auch der EPR nicht die versprochene Sicherheit bietet und keinen geeigneten Maßstab für die Modernisierung von Cattenom darstellt. Sich an einem solchen Standard zu orientieren, führt zwangsläufig zu weiteren Mängeln! Offenbar steht die EDF mit dem Rücken zur Wand: Nachdem das eigene SMR-Entwicklungsprojekt wegen technischer Schwierigkeiten und ausufernder Kosten gestoppt werden musste, soll nun mit veralteten und fehleranfälligen Reaktoren die Zukunft der französischen Atomindustrie gesichert werden.
Ein klares Nein zu Cattenom!
Wir fordern die Regierungen aller betroffenen Länder auf, im Sinne ihrer Bevölkerung zu handeln. Die einzig logische und verantwortungsvolle Forderung lautet: Die sofortige und endgültige Stilllegung von Cattenom! Die französische Regierung muss die Gefahren der Atomkraft anerkennen und die Sicherheit der Bevölkerung über die Interessen der Atomindustrie stellen.
Dabei hat Deutschland bewiesen, dass eine Energiewende möglich ist. Der Klimaschutz, der eigentlich ein Tier- und Menschenschutz ist, kommt mit großen Schritten voran: In den ersten neun Monaten dieses Jahres wurden fast 217 Terawattstunden Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt – ein Plus von 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Als drittgrößtes Industrieland der Welt deckt Deutschland mittlerweile über die Hälfte seines Strombedarfs mit erneuerbaren Energien. Das zeigt: Ein Ausstieg aus der Atomkraft ist möglich, ohne die Energieversorgung zu gefährden.
Unsere Forderungen
- Sofortiger Atomausstieg in Frankreich: Die französische Regierung muss endlich auf erneuerbare Energien setzen und den Ausstieg aus der Atomkraft einleiten.
- Stopp der Neubaupläne in Gravelines: Die Pläne für neue AKWs in Gravelines sind angesichts der Klimakatastrophe unverantwortlich und müssen gestoppt werden.
- Stilllegung von Cattenom: Das AKW Cattenom ist ein Sicherheitsrisiko und muss umgehend stillgelegt werden.
- Politischer Druck aus allen Ebenen: Wir fordern alle politischen Ebenen – vom Oberbürgermeister über den Landrat und die Kommunen sowie die Landes- und Bundesregierung bis hin zur Europäischen Union – auf, den politischen Druck auf Frankreich zu erhöhen und sich für die Sicherheit der Bevölkerung einzusetzen.
Bislang haben sich weder die Stadt Trier noch Oberbürgermeister Leibe zu unserer Anfrage bezüglich der Laufzeitverlängerung von Cattenom geäußert.
Die Klimakatastrophe ist eine Realität. Atomkraft ist keine Lösung, sondern Teil des Problems. Es ist Zeit für eine zukunftsfähige Energiepolitik, die in ganz Europa auf erneuerbaren Energien basiert!