TRIER, 13.12.2024.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Kreisgruppe Trier-Saarburg (BUND), das Anti-Atom-Netz Trier (AAN) und Messen für Aktiven Umweltschutz e.V. Trier (MAUS) fordern ein klares politisches Bekenntnis und entschlossenes Handeln gegen die Laufzeitverlängerung des französischen Atomkraftwerks Cattenom. In einem am 12.12.2024 veröffentlichten Brief an Umweltministerin Katrin Eder kritisieren die Organisationen die unklare Position der Landesregierung und fordern, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um einen Weiterbetrieb der Pannenreaktoren zu verhindern.
Reaktion auf unzureichende Antworten
Der Brief ist eine Reaktion auf ein Schreiben von Ministerin Eder vom 27. Juni 2024, in dem sie die ablehnende Haltung der Landesregierung gegenüber einer Laufzeitverlängerung bekräftigte. Dieses Schreiben wiederum war eine Antwort auf eine Anfrage des Anti-Atom-Netzes Trier, die an verschiedene politische Entscheidungsträger_innen gerichtet war. Darin hatte der Zusammenschluss von Atomkraftgegner_innen Politiker_innen befragt, welche Maßnahmen sie gegen eine Laufzeitverlängerung von Cattenom ergreifen wollen.
„Die Antworten waren ernüchternd und widersprechen den politischen Versprechen“, so Markus Pflüger vom Anti-Atom-Netz Trier. „Ministerin Eder bekräftigt zwar die ablehnende Haltung der Landesregierung, aber konkrete Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor der radioaktiven Zeitbombe Cattenom bleiben aus.“
Grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) gefordert
Besorgniserregend ist, dass die Betreiberin EDF plant, Reaktor 1 des AKW Cattenom nach einer technischen Überprüfung wieder in Betrieb zu nehmen, bevor eine grenzüberschreitende UVP überhaupt abgeschlossen ist. „Die französische Atomaufsicht ASN hat in der Vergangenheit wiederholt Mängel und Fristüberschreitungen toleriert. Wir befürchten, dass es dadurch zu einer schleichenden Laufzeitverlängerung ohne ausreichende Sicherheitsnachweise kommt“, so Elisabeth Quaré vom MAUS e.V. Trier. „Das zeigt sich aktuell an der Genehmigung für den hochriskanten neuen Europäischen Druckwasserreaktor (EPR) in Flammanville, trotz zahlreicher bekannter und gravierender Mängel und Sicherheitsrisiken. Wir vermuten stark, dass die ASN auch bei Cattenom die Augen vor den Gefahren verschließt.“
Die Organisationen fordern eine rechtzeitige und umfassende grenzüberschreitende UVP, um die Auswirkungen einer Laufzeitverlängerung auf die Umwelt und die Bevölkerung zu untersuchen. „Die französische Regierung muss endlich ihrer Verantwortung gerecht werden und die potenziellen Risiken für die Nachbarländer ernst nehmen. Ein Weiterbetrieb der unsicheren Reaktoren ist unverantwortlich“, so Marianne Rummel vom BUND.
Mangelnde Beteiligung der Landesregierung
Besonders kritisch sehen die Organisationen die mangelnde Beteiligung der Landesregierung an den Sitzungen der lokalen Informationskommission (CLI) zu Cattenom. „Der Vertreter der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD), der zentralen Verwaltungsbehörde des Landes Rheinland-Pfalz mit Sitz in Trier, hat an den letzten neun Sitzungen nicht teilgenommen, auch nicht an der Sitzung, die das kritische Thema Spannungsrisskorrosion behandelte“, so Elisabeth Quaré. „Das ist ein fatales Signal und erweckt den Eindruck, dass die Landesregierung die Gefahren von Cattenom nicht ernst nimmt.“
Forderungen an die Landesregierung
Die Organisationen fordern von der Landesregierung ein klares Bekenntnis gegen die Laufzeitverlängerung von Cattenom und entschlossene Maßnahmen, um die Bevölkerung zu schützen. Dazu gehören:
- Aktive Teilnahme an den Sitzungen der CLI Cattenom
- Einforderung einer grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bevor das 5. Jahrzehnt des Reaktors 1 beginnt
- Prüfung aller sicherheitsrelevanten Aspekte vor einer möglichen Laufzeitverlängerung
- Abstimmung mit der saarländischen und luxemburgischen Regierung
- Information der Öffentlichkeit über die Vorgehensweise der Landesregierung
- Prüfung juristischer Mittel, z.B. einer Klage gegen die Laufzeitverlängerung
Quellen und Hintergrundinfos:
- Initiale Anfrage des Anti-Atom-Netzes an weitere Politiker aus Stadt, Kreis und Land vom 13.05.2024:
https://antiatomnetz-trier.de/wp-content/uploads/2024/10/2024-05-13-Anfrage-AAN-Trier-an-Politik-bzgl-Laufzeitverlaengerung-AKW-Cattenom.pdf - Antwort der Landesregierung RLP vom 27.06.2024:
https://antiatomnetz-trier.de/wp-content/uploads/2024/10/2024-06-27-Antwort-der-Landesregierung-RLP.pdf - Unsere aktuelle Antwort an Ministerin Eder vom 12.12.2024:
https://antiatomnetz-trier.de/wp-content/uploads/2024/12/Antwort-Ministerin-Eder-2024-12-12.pdf - Frühere Pressemitteilung des Anti-Atom-Netzes vom 08.11.2024:
https://antiatomnetz-trier.de/2024/11/pressemitteilung-cattenom-tickende-zeitbombe-in-der-klimakatastrophe/
- Spannungsrisskorrosion: In den letzten Jahren wurden vermehrt Spannungsrisse in den Sicherheitseinspeisekreisläufen von Cattenom festgestellt. Dieses Problem wurde auch auf der CLI-Sitzung am 3. Oktober 2022 thematisiert, an der der Vertreter der ADD Trier jedoch nicht teilnahm.
Inzwischen hat die EDF an allen 4 Cattenom-Reaktoren die Rohrsysteme der Sicherheitseinspeisekreisläufe erneuert. Da die EDF Schweißnähte und die Geometrie der Rohrsysteme als Ursache für die Spannungsrisse identifiziert hat, können neue Spannungsrisse aber jederzeit wieder auftreten. - Klimakrise: Die Klimakrise erhöht die Risiken durch Atomkraftwerke. Extreme Wetterereignisse wie Hochwasser und Dürren beeinträchtigen die Sicherheit der Anlagen.
- Finanzielle Risiken: Die Modernisierung alternder Atomkraftwerke ist extrem kostenaufwendig und für den bereits mit der Rekordsumme von 3228 Milliarden € verschuldeten französischen Staat kaum zu bezahlen. Sparen an der Sicherheit!
- Abhängigkeit von der Atomkraft: Frankreich hat sich in extremer Weise von der Nutzung der Atomenergie abhängig gemacht. Alle Reaktoren im Netzbetrieb sind zudem älter als 25 Jahre. Frankreich war zeitweise sogar auf Stromimporte angewiesen.
- Mangelnder Schutz: Die Anlagen in Cattenom sind unzureichend gegen Flugzeugabstürze und Terroranschläge geschützt.
- Nicht austauschbare Komponenten: Kritische Komponenten wie der Reaktordruckbehälter können nicht ersetzt werden und sind nach 40 Jahren Betriebsdauer einem erhöhten Risiko ausgesetzt.
- Greenpeace-Studie: Aktuelle Greenpeace-Studien belegen die Sicherheitsmängel von Cattenom und die unzureichenden Schutzmaßnahmen von AKWs gegen die Folgen der Klimakrise:
https://www.greenpeace.org/static/planet4-luxembourg-stateless/2024/10/4e1ad2cd-rapport-greenpeace-vulnerabilite-gravelines-octobre-2024.pdf - Stresstest für das Kernkraftwerk Cattenom aus dem Februar 2012: Dipl.-Ing. Dieter Majer schrieb in seinem Abschlussbericht zum Stresstest für das Kernkraftwerk Cattenom im Februar 2012, der unter der Mitwirkung des Ministeriums für Gesundheit Luxemburg, des Ministeriums für Umwelt, Energie und Verkehr des Saarlandes und des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Rheinland-Pfalz erstellt wurde, auf Seite 52 abschließend: „Obwohl die zahlreichen nun vorgeschlagenen Maßnahmen bei einer sorgfältigen Umsetzung zu einer Verringerung des Restrisikos in Kernkraftwerken beitragen können, wird das KKW Cattenom danach immer noch ein Risiko darstellen.“
Wie viele der vorgeschlagenen Maßnahmen in den fast 14 Jahren seit dem Stresstest sorgfältig oder überhaupt durchgeführt wurden, ist bis heute unklar.
https://mkuem.rlp.de/fileadmin/14/Themen/Umweltschutz/Strahlenschutz/Abschlussbericht_Stresstest_Cattenom_Endfassung.pdf.pdf