Was können wir gegen die drohende Laufzeitverlängerung der störanfälligen Pannenreaktoren von Cattenom tun? Das Anti-Atom-Netz Trier setzt sich auf verschiedenen Ebenen dafür ein, dass die seit 40 Jahren laufenden Atommeiler im grenznahen französischen Cattenom keine weitere Laufzeitverlängerung erhalten.
Die bekannten Argumente gegen Atomkraft als Hochrisikotechnologie sind vielfältig und schwerwiegend. Ein zentraler Punkt ist die Zerstörung von Lebensräumen, die insbesondere indigene Gemeinschaften in Uranabbaugebieten wie Australien, Kanada oder Afrika betrifft. Hinzu kommen die erheblichen Gefahren, die mit dem Transport von Uran, seiner Anreicherung und der Herstellung von Brennelementen verbunden sind.
Vor allem der Betrieb von Atomkraftwerken birgt enorme Risiken: Es kommt zu radioaktiven Emissionen, und es besteht stets die tägliche Gefahr einer Kernschmelze (GAU*). Ein weiteres, ungelöstes und immenses Problem ist der hochradioaktive Atommüll und die Frage seiner letztendlich unlösbaren Endlagerung für Jahrtausende. Schließlich resultiert aus der untrennbaren Verbindung von ziviler und militärischer Atomkraftnutzung die ernsthafte Gefahr der Proliferation*, also der Weiterverbreitung von Atomwaffen.
Argumente gegen Cattenom
- Die ohnehin hohe Störanfälligkeit der Reaktoren steigt mit zunehmendem Alter weiter. Die dafür oft notwendigen An- und Abschaltungen belasten das System zusätzlich.
- Die Betreiberin Electricité de France (EDF) beabsichtigt, die als notwendig identifizierten „Verbesserungen“ erst im Zuge des Weiterbetriebs umzusetzen. Dies wird derzeit bereits bei der 900 MW Baureihe praktiziert.
- Die EDF ist hochverschuldet und daher komplett verstaatlicht. Der französische Staat ist insgesamt stärker verschuldet, als jährlich im Brutto-Inlands-Produkt (BIP) in Frankreich erwirtschaftet wird (mehr als 110 % des BIP). Es ist zu befürchten, dass aus Geldnot beziehungsweise Zahlungsunfähigkeit an der Sicherheit gespart wird.
- Die unkalkulierbaren Auswirkungen des Klimawandels werden nicht ausreichend berücksichtigt. Dazu gehören häufiger auftretende Hitzeperioden mit Wassermangel, aber auch Überschwemmungskatastrophen und Stromausfälle.
- Hinzu kommen die Gefahren von Flugzeugabstürzen, gegen die die Reaktorhülle nicht ausreichend gewappnet ist, sowie Risiken durch kriegerische Handlungen, die gezielt gegen Atomanlagen erfolgen können, wie der Ukrainekrieg zeigt.
- Die Im- und Exportbilanz von Strom zeigt, dass Rheinland-Pfalz Cattenom nicht benötigt, um seine Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Hierzu gibt es eine Studie: „Auswirkungen einer Abschaltung des Kernkraftwerks Cattenom auf die Versorgungssicherheit in der Region“ von Consentec im Auftrag der Regierungen von Luxemburg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland (April 2021). Diese Studie kommt zu dem Ergebnis, dass „Versorgungssicherheitsbelange einer Stilllegung des Kernkraftwerks Cattenom nicht im Wege stehen, da geeignete Abhilfemaßnahmen technisch bekannt sind und in vergleichsweise kurzer Zeit verfügbar gemacht werden können.“ (PDF-Download: https://gouvernement.lu/dam-assets/documents/actualites/2021/04-avril/23-stopp-akw-cattenom/20210415-Consentec-Auswirkungen-AbschaltungCattenom-Bericht.pdf)
Das Anti-Atom-Netz setzt sich für mehr Öffentlichkeit ein
Die Öffentlichkeit sollte stärker über die Gefahren Cattenoms aufgeklärt werden. Dazu gehört auch, die Grenzen des Katastrophenschutzes aufzuzeigen, um keine Illusion eines kompletten Schutzes aufkommen zu lassen. Konkret: Bei einem Unfall soll man im Keller Radio hören und gleichzeitig Jodtabletten an Ausgabestellen besorgen. Dabei ist von einem kompletten Verkehrsstau und zunehmender Panik in der Bevölkerung auszugehen. Verstrahlte Menschen müssten, soweit überhaupt möglich, dekontaminiert werden und dürften das verstrahlte Gebiet nicht einfach verlassen. Statt den Katastrophenschutz zur Beruhigung der Bevölkerung umzudeuten, gilt es, Klartext zu reden und alles Mögliche gegen die Laufzeitverlängerung zu unternehmen. Als Anti-Atom-Netz versuchen wir dies schon seit vielen Jahren: www.antiatomnetz-trier.de
Maßnahmen gegen die geplante Laufzeitverlängerung von Cattenom:
- Es gilt, juristische Mittel, wie zum Beispiel Klagen gegen die Laufzeitverlängerung zu prüfen und durchzuführen. Dies kann wie angedacht auf Landesebene stattfinden.
- Der Zwischenbericht der ASNR zu den generischen Vorschriften für die Laufzeitverlängerung der gesamten 1300 MW-Reaktor-Baureihe, zu der Cattenom gehört, muss kritisch geprüft werden: www.asnr.fr/actualites/lasnr-publie-une-synthese-des-expertises-menees-au-titre-de-la-phase-generique-du. Dabei sollte der Bezug zu den EPR Sicherheitsstandards eingefordert werden, das heißt eine Auseinandersetzung mit den gravierenden Klima-Entwicklungen und daraus resultierenden Auswirkungen sowie Angaben zur Verbesserung der sicherheitstechnischen Auslegung der bestehenden Anlagen. Es gilt, eine deutliche Kritik an der Widerstandsfähigkeit der Containmentbarriere zu formulieren.
- Alle sicherheitsrelevanten Aspekte müssen vor einer möglichen Laufzeitverlängerung geprüft werden. Dazu sollten externe Experten beauftragt werden. Die Ergebnisse können in den Klageweg, eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung sowie die Öffentlichkeitsarbeit einfließen.
- Das weitere Vorgehen ist mit anderen Kommunen, den saarländischen und rheinland-pfälzischen Landesregierungen sowie der luxemburgischen Regierung abzustimmen,auch die betroffenen Kommunen müssen einbezogen werden.
- Alle CLI-Sitzungen in Cattenom werden von Vertretern aus Deutschland besucht. Dort erhaltene Informationen werden aufbereitet und weitergegeben. Gleichzeitig werden kritische Fragen gestellt, um weitere Erkenntnisse zu gewinnen, die für die Klage und Öffentlichkeitskampagne gegen Cattenom genutzt werden können.
- Die Öffentlichkeit wird laufend über die Vorgehensweise informiert.
Für das Anti-Atom-Netz ist es wichtig, die bestehenden und berechtigten Sorgen der Bevölkerung im Umkreis der benachbarten Atomanlage ernst zu nehmen. Ziel ist es, diese Gefahren möglichst bald zu reduzieren und am besten komplett abzustellen. Die Zivilgesellschaft ist aufgerufen, ihre Forderungen zu artikulieren und in die Öffentlichkeit und gegebenenfalls auch auf die Straßen zu tragen.
Ein Beispiel für gute grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist eine im Juni 2025 veröffentlichte Studie des Trinationalen Atomschutzverband TRAS: „Grenzenloses Risiko: Gefährdung Deutschlands durch schwere Unfälle in Schweizer Atomkraftwerken“ (PDF-Download: atomschutzverband.ch/gefaehrdung-sueddeutschland/studie). Bei der Vorstellung sagte Stefan Auchter, Vize-Präsident des TRAS: „Das von den Schweizer Atomkraftwerken für Deutschland ausgehende Risiko wird systematisch und dramatisch unterschätzt. Städte und Gemeinden werden nicht einmal annähernd adäquat auf die Unfallszenarien vorbereitet. Bundes- und Landesregierung müssen die Bedrohung durch die Schweizer AKW endlich ernst nehmen und darauf hinwirken, dass der Überzeitbetrieb der Reaktoren in naher Zukunft verbindlich beendet wird.“ (Quelle: ausgestrahlt.de)
Eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung der störanfälligen Pannenreaktoren kann einen wichtigen Beitrag leisten, um die Laufzeitverlängerung zu verhindern, anstatt sehenden Auges auf eine jederzeit drohende Nuklearkatastrophe für die Großregion zuzusteuern. Ziel sollte der anhaltende Einsatz für eine Stilllegung, statt der Laufzeitverlängerung der tickenden Zeitbombe von Cattenom sein. Tschernobyl und Fukushima mahnen: Es gilt, alle Atomanlagen stillzulegen – am besten, bevor es zu spät für die Region ist.
Glossar
- ASNR: Die „Autorité de Sûreté Nucléaire“ ist die französische Atomaufsichtsbehörde. Sie ist für die Sicherheit der kerntechnischen Anlagen in Frankreich zuständig und erteilt unter anderem Genehmigungen für deren Betrieb.
- CLI-Sitzungen: Die Abkürzung steht für „Commission Locale d’Information“ (Lokale Informationskommission). Dies sind Gremien in Frankreich, die die Bevölkerung über die Sicherheit und den Betrieb von kerntechnischen Anlagen informieren und den Dialog zwischen Betreibern, Behörden und der Öffentlichkeit fördern sollen.
- GAU-Gefahr: Der „Größte Anzunehmende Unfall“ (GAU) bezeichnet ein Ereignis in einer kerntechnischen Anlage, das trotz aller Sicherheitsvorkehrungen eintreten kann und mit erheblichen Freisetzungen radioaktiver Stoffe verbunden ist. Es ist das schwerwiegendste Unfallereignis, das bei der Auslegung einer Anlage berücksichtigt wird.
- Proliferation: Im Kontext der Atomkraft bezieht sich Proliferation auf die Weiterverbreitung von Kernwaffen oder der Technologie und des Materials zu ihrer Herstellung. Da die zivile Nutzung der Atomenergie (z.B. zur Stromerzeugung) und die militärische Nutzung (zur Waffenherstellung) meist eng miteinander verbunden sind, besteht die Gefahr, dass aus zivilen Atomprogrammen Material oder Wissen für militärische Zwecke abgeleitet wird.
