Laufzeitverlängerung für Cattenom: Offizielle Dokumente bestätigen massive Sicherheitsbedenken – Anti-Atom-Netz Trier fordert Konsequenzen

Von | 17.07.2025

Unsere Kritik: Cattenom ist eine tickende Zeitbombe – Die Fakten

Als Anti-Atom-Netz Trier sehen wir die geplante Laufzeitverlängerung für das Pannen-AKW Cattenom mit größter Sorge und Entschlossenheit zum Widerstand. Die offiziellen Dokumente der französischen Atomaufsichtsbehörde (ASNR) sollen eigentlich beruhigen, doch eine genaue Lektüre bestätigt unsere schlimmsten Befürchtungen. Dasselbe Bild zeichnen die politischen Debatten in unserer Region. Sie sind ein Offenbarungseid. Die Fakten beweisen: Die Profitinteressen des hochverschuldeten Betreibers EDF und die energiepolitischen Planspiele werden über die Sicherheit von Millionen Menschen in unserer Region gestellt. Die Argumente gegen diesen unverantwortlichen Wahnsinn sind erdrückend.

I. Das Kernproblem: Ein Altreaktor am technischen und materiellen Limit

Die Grundlage allen Übels ist der Zustand der Anlage selbst. Cattenom ist keine sichere Anlage, die man einfach weiterlaufen lässt, sondern ein alternder Reaktor, dessen grundlegende Schwächen nicht mehr zu beheben sind. Die geplanten „Verbesserungen“ sind in Wahrheit ein Eingeständnis fundamentaler Designfehler. Unsere Kritik ist dabei keine Einzelmeinung – selbst im offiziellen französischen Konsultationsprozess wurden von Experten und Verbänden identische Sorgen geäußert.

  • Geplanter Betrieb im Pannenmodus: Die ASNR gibt unumwunden zu, dass die Reaktoren für eine Lebensdauer von 40 Jahren konzipiert wurden. Die nun geplanten hunderte von „Verbesserungen“ – wie die Nachrüstung eines komplett neuen Notkühlsystems oder einer Vorrichtung zum Auffangen einer Kernschmelze – sind keine kleinen Reparaturen. Sie sind der Beweis, dass die Anlage von Anfang an unzureichend ausgelegt war. Das Schlimmste daran: Die ASNR erlaubt offiziell, dass ein Großteil dieser fundamentalen und sicherheitsrelevanten Nachrüstungen erst bis zu sechs Jahre nach der Wiederinbetriebnahme erfolgen soll. Die Anlage wird also wissentlich jahrelang in einem unfertigen und nachweislich unsicheren Zustand betrieben – ein Experiment am offenen Herzen unserer Region.
  • Alterung und Materialermüdung als Teufelskreis: Die nicht austauschbaren Kernkomponenten wie der Reaktordruckbehälter und das Reaktorgebäude aus Beton sind nach über 40 Jahren Dauerbelastung durch Hitze, Druck und Neutronenstrahlung am Ende ihrer geplanten Lebensdauer. Materialermüdung, Versprödung und die bereits in Cattenom selbst festgestellte Spannungsrisskorrosion machen ihre Integrität zum größten unkalkulierbaren Risiko. Selbst die französische Konsultation dokumentiert massive Bedenken bezüglich der „mechanischen Festigkeit der Reaktordruckbehälter“. Der Austausch betroffener Rohrleitungen schafft durch neue Schweißnähte direkt die nächsten Schwachstellen – ein endloser Kreislauf aus Reparatur und neuer Gefahr, der jederzeit zu einem plötzlichen Versagen der letzten Sicherheitsbarrieren führen kann.

II. Die falschen Versprechen: Lügen über Sicherheit und Finanzen

Um den Weiterbetrieb zu rechtfertigen, werden der Öffentlichkeit bewusst Unwahrheiten und Halbwahrheiten aufgetischt, die einer Überprüfung nicht standhalten.

  • Die Lüge von der Versorgungssicherheit in der Region: Das Hauptargument der Befürworter, Cattenom sei für die Versorgungssicherheit in der Region unverzichtbar, ist widerlegt. Eine offizielle, von den Regierungen von Luxemburg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland beauftragte Studie mit dem Titel „Auswirkungen einer Abschaltung des Kernkraftwerks Cattenom auf die Versorgungssicherheit in der Region“ (Consentec, April 2021) hat unmissverständlich ergeben: „Versorgungssicherheitsbelange stehen einer Stilllegung des Kernkraftwerks Cattenom nicht im Wege“. Die Lichter in unserer Region gehen nicht aus, wenn diese tickende Zeitbombe endlich abgeschaltet wird. Dieses Argument dient also lediglich als Vorwand, um von den realen, unkalkulierbaren Risiken abzulenken.
  • Die Lüge von der „fast“ modernen Sicherheit: Die ASNR verspricht nicht einmal, das Sicherheitsniveau moderner Reaktoren wie des EPR zu erreichen, sondern gesteht lediglich eine vage „Annäherung“ zu. Selbst im offiziellen Konsultationsbericht wird eingeräumt, dass grundlegende Design-Mängel, wie der unzureichende Schutz gegen Flugzeugabstürze, bestehen bleiben. Dieses Vorgehen ist doppelt zynisch, denn selbst der EPR ist alles andere als „sicher“. Die Bauprojekte in Flamanville, Olkiluoto und Hinkley Point sind Desaster, geprägt von jahrelangen Verzögerungen, explodierenden Kosten und gravierenden Qualitätsmängeln wie fehlerhaften Schweißnähten. Die extreme Komplexität des EPR wird selbst zum Risiko, und zentrale Sicherheitselemente wie der „Core-Catcher“ sind reine Theorie, die nie unter realen Unfallbedingungen getestet wurden. Wenn also schon das Erreichen dieses fehlerbehafteten und theoretischen Standards als Ziel aufgegeben wird, gibt die Behörde offen zu, dass für Cattenom dauerhaft gravierende Sicherheitsdefizite akzeptiert werden.
  • Die Lüge vom finanzierbaren Weiterbetrieb: Der Betreiber EDF ist mit hunderten Milliarden Euro hochverschuldet und wurde komplett verstaatlicht. Auch der französische Staat selbst hat Schulden von über 110 % seines Bruttoinlandsprodukts. Diese desaströse finanzielle Lage ist ein massives Sicherheitsrisiko. Es besteht die reale und begründete Gefahr, dass aus Geldnot an der Qualität der Nachrüstungen, an der Wartung und an der Ausbildung des Personals gespart wird. Der wirtschaftliche Druck, die Reaktoren zur Stromerzeugung um jeden Preis am Netz zu halten, steht im direkten Widerspruch zu den Sicherheitserfordernissen.

III. Unbeherrschbare Risiken: Klimawandel und Angriffe von außen

Selbst wenn die Anlage technisch perfekt gewartet wäre – was sie bei weitem nicht ist –, ist sie den neuen Realitäten und Bedrohungen des 21. Jahrhunderts nicht gewachsen.

  • Wehrlos gegen den Klimawandel: Der Betrieb des AKW wird durch Hitzewellen, Wassermangel und die zunehmende Gefahr von Extremwetterereignissen wie Überschwemmungen immer riskanter. Die Kühlung durch die Mosel ist die Achillesferse der Anlage. Wenn der Fluss zu wenig oder zu warmes Wasser führt, muss die Reaktorleistung gedrosselt werden, um eine gesetzlich verbotene, weitere Überhitzung der Mosel zu vermeiden. Dieser Zwang zur Drosselung beweist die extreme Anfälligkeit der Anlage. Jede zusätzliche Wärmeeinleitung, auch innerhalb der geltenden Grenzwerte, schädigt zudem das bereits gestresste Ökosystem der Mosel.
  • Wehrlos gegen Angriffe: Die Reaktorhüllen aus den 1980er-Jahren sind den heutigen Bedrohungen nicht gewachsen. Sie wurden nie dafür konzipiert, einem gezielten militärischen Angriff mit modernen Waffen oder dem gezielten Absturz eines großen Verkehrsflugzeugs standzuhalten. Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, wie schnell Atomkraftwerke zum Ziel werden können. Die Vorstellung, Cattenom sei gegen solche Szenarien oder auch gezielte Terror- und Drohnenangriffe gewappnet, ist eine gefährliche Illusion.

IV. Unsere Forderung: Handeln statt abwarten!

Die von deutscher Seite erkämpfte und bisher nur vage mündlich zugesagte Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für die standortspezifische Überprüfung darf nicht als Beruhigungspille missverstanden werden. Sie ist lediglich ein minimales juristisches Einfallstor in ein ansonsten abgeschottetes französisches Verfahren. Es ist Zeit zu handeln. Die französische Atomaufsicht hält selbst fest: Sollte EDF die vorgeschriebenen Arbeiten nicht umsetzen können, „muss der Reaktor abgeschaltet werden“ (le réacteur devra être arrêté).

Wir vom Anti-Atom-Netz Trier appellieren an die politische Verantwortung auf allen Ebenen, von den Kommunen bis zu den Nationalregierungen. Wir fordern den Stadtrat Trier, den Kreistag Trier-Saarburg, die Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und dem Saarland, die Bundesregierung sowie die Regierungen unserer Nachbarn in Luxemburg und allen betroffenen Anrainerstaaten auf, gemeinsam und mit allem politischen und juristischen Druck auf die Stilllegung zu drängen. Das bedeutet konkret:

  1. Vorbereitung einer gemeinsamen Klage: Die teilweise erfolgreiche Klage von Kommunen und dem Saarland aus den 80er-Jahren gegen die Betriebsgenehmigung der Blöcke 3 und 4 hat gezeigt, dass juristischer Widerstand Früchte trägt. Die Landesregierung muss die aktuellen Klagemöglichkeiten, wie bereits angekündigt, ernsthaft prüfen. Die Rechtsgutachten müssen umgehend aktualisiert werden und es muss eine neue, grenzüberschreitende Klage mit maximaler politischer Unterstützung vorbereitet werden.
  2. Maximaler Druck im UVP-Verfahren: Die zugesagte Umweltverträglichkeitsprüfung ist die offizielle Chance, fundierte, kritische Stellungnahmen, gestützt auf ein aktualisiertes Gutachten des Öko-Instituts und die Expertise der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS), auf den Tisch zu legen. Die französischen Behörden müssen gezwungen werden, sich öffentlich mit den Fakten auseinanderzusetzen. Ein Erörterungstermin in Deutschland ist dabei das absolute Minimum.
  3. Ehrlichkeit beim Katastrophenschutz statt falscher Versprechen: Der aktuelle Katastrophenschutz ist eine Farce. Der offizielle Schutzradius von nur 25 Kilometern lässt große Teile der Region, inklusive Trier, schutzlos zurück. Eine grundlegende und realistische Überarbeitung der Katastrophenschutzpläne bedeutet, mit der gefährlichen Illusion des Schutzes aufzuräumen. Die heutigen Pläne, die auf veralteten Annahmen aus den 80er-Jahren beruhen, ignorieren die Realität eines GAUs: totaler Verkehrskollaps, Zusammenbruch der Kommunikationsnetze und Panik. Die Idee, im Ernstfall Jodtabletten zu verteilen oder die Bevölkerung aufzufordern, diese selbst an Ausgabestellen abzuholen, ist unter diesen Umständen eine lebensgefährliche Farce. Diese Maßnahme gaukelt einen Schutz vor, den es nicht gibt. Denn erstens sind die Tabletten nicht für alle Menschen geeignet – insbesondere ältere Personen und Menschen mit Schilddrüsenerkrankungen riskieren schwere Nebenwirkungen. Zweitens schützen sie ausschließlich die Schilddrüse vor der Aufnahme von radioaktivem Jod. Gegen die Vielzahl anderer hochgefährlicher Stoffe – wie Cäsium oder Strontium – und gegen die tödliche äußere Strahlung, die bei einem GAU freigesetzt werden, sind sie völlig wirkungslos. Die Jodtablette wird so zum Symbol einer zynischen Beruhigungspolitik, die einen umfassenden Schutz suggeriert, wo keiner existiert. Ein ehrlicher Plan würde diese Fakten klar benennen und zugeben, dass ein effektiver Schutz der Bevölkerung nach einer Kernschmelze nicht möglich ist. Er würde die Grenzen staatlichen Handelns aufzeigen, anstatt sie zu verschleiern. Eine solche schonungslose Analyse führt zu nur einer einzigen, verantwortungsvollen Konsequenz: Die Quelle dieser unkontrollierbaren Gefahr – das Atomkraftwerk Cattenom – muss abgeschaltet werden.

Tschernobyl und Fukushima mahnen uns, nicht auf die nächste Katastrophe zu warten. Die Zeit für Kompromisse auf Kosten unserer Sicherheit ist endgültig abgelaufen. Cattenom muss vom Netz!