Anfällig für Terror und Flugzeugabsturz: Cattenom sofort vom Netz statt Laufzeitverlängerung!

Von | 03.11.2025

Mitten im Herzen Europas, nur einen Steinwurf von unserer Haustür entfernt, tickt eine Zeitbombe aus den Achtzigerjahren: das Atomkraftwerk Cattenom. Seit etlichen Jahren warnen wir vor den inakzeptablen Risiken, die diese Meiler für das gesamte Dreiländereck Saar-Lor-Lux darstellen. Doch anstatt die Anlage endlich am Ende ihrer Laufzeit stillzulegen, fährt der französische Betreiber EDF einen unverantwortlichen und brandgefährlichen Kurs: eine angestrebte Laufzeitverlängerung um mindestens zehn weitere Jahre!

Es ist ein politischer und technischer Wahnsinn. Wir reden hier von einer Anlage, die schon jetzt regelmäßig durch Störungen und meldepflichtige Ereignisse auffällt – ein Zeichen dafür, dass die ursprüngliche technische Lebensdauer längst überschritten ist. Die Entscheidung der französischen Sicherheitsbehörde ASNR, diesen Reaktoren über die geplanten 40 Jahre hinaus den Betrieb zu erlauben, ist ein Schlag ins Gesicht aller Anwohner_innen der Großregion.

Cattenom ist aufgrund seiner Bauweise und seines Alters besonders anfällig für Bedrohungen von außen. Die Gefahr eines gezielten Terroranschlags oder eines katastrophalen Flugzeugabsturzes, ist das wohl dunkelste Kapitel der Risikobewertung. Die grüne Abgeordnete Joëlle Welfring hat in Luxemburg kürzlich zu Recht die Frage gestellt, wie hoch das Risiko angesichts des gestiegenen Flugverkehrs und der rasanten Entwicklung neuer Waffentechnologien ist. Die Schwachstellen sind bekannt: allen voran die Lagerbecken für abgebrannte Brennelemente.

Diese Becken – außerhalb der Schutzmauern gelegen – beherbergen hochradioaktives Material, das bei Zerstörung eine katastrophale Freisetzung von Radioaktivität auslösen könnte. Es ist zynisch, wenn der luxemburgische Premierminister Luc Frieden ausgerechnet auf eine EDF-Studie verweist, die das Risiko einer „inakzeptablen Freisetzung“ als „sehr gering“ einschätzt. Was soll denn bitte eine akzeptable Freisetzung von Radioaktivität sein? Zudem sind die technischen Details dieser objektiv nicht nachvollziehbaren Bewertung geheim. Wir fordern volle Transparenz statt beschwichtigender Floskeln.

Die Behauptung, das Risiko sei gering, wird durch die Historie widerlegt. Unfälle, bei denen Kampfflugzeuge im Tiefflug in unmittelbarer Umgebung von Atomkraftwerken in Deutschland abstürzten, sind keine theoretischen Gedankenspiele.

Infobox: Unfälle in der Nähe deutscher AKWs (Auszug)

  • 24.07.1978, AKW Würgassen (BRD): Nur etwa 8 Kilometer entfernt stürzt ein britisches Kampfflugzeug vom Typ McDonnell F-4 ab.
  • 30.03.1988, AKW Philippsburg/Ohu (BRD): Ein französischer Kampfbomber vom Typ „Mirage“ schlägt 1.500 Meter (fünf Flugsekunden) entfernt von den Atomkraftwerken Isar I und Isar II in den Waldboden.
  • 31.03.1988, AKW Philippsburg (BRD): Ein US-amerikanischer Düsenjäger stürzt nur 19 km vom Atomkraftwerk entfernt ab.

Die Terroranschläge vom 11. September 2001 zwangen Deutschland zu einer drastischen und ehrlichen Neubewertung der Sicherheit seiner Atomanlagen. Die Konsequenzen dieser Neubewertung legen schonungslos offen, wie unzureichend die Bausubstanz älterer Anlagen wie Cattenom heute sein muss.

  • Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) erklärte die dünnen Wände (0,55 bis 0,85 Meter) vieler süddeutscher Zwischenlager (u.a. Biblis, Philippsburg) für unzureichend gegenüber Flugzeugabstürzen. BfS-Präsident König forderte damals dicken Beton mit Wandstärken von 1,2 bis 1,3 Metern. Diese in Deutschland für eine Lagerhalle für abgekühlten Müll geforderten Betonstärken sind in Frankreich am laufenden Hochrisiko-Reaktor in Cattenom ein unerfüllter Traum. Denn die äußere Schutzhülle (Containment) von Cattenom weist typischerweise nur etwa 90 Zentimeter (0,9 Meter) Betonstärke auf. Die bauliche Diskrepanz spricht Bände.
  • Lubmin: Neubau statt Risiko: Im Norden musste das bestehende Atommüll-Zwischenlager Lubmin komplett abgerissen und neu geplant werden, weil es die 2011 erhöhten Anforderungen an den Terrorschutz (inklusive Schutz gegen panzerbrechende Waffen und Flugzeugabsturz) nicht erfüllte. Die Kosten: geschätzte 220 Millionen Euro und eine Fertigstellung frühestens in den 2030er-Jahren.

Wenn Deutschland Hunderte Millionen Euro ausgibt und jahrzehntelang plant, um eine Lagerhalle für bereits abgekühlten Müll sicher zu machen – mit welcher Logik wird dann der Weiterbetrieb von 40 Jahre alten, laufenden Hochrisiko-Reaktoren in Cattenom verteidigt? Die französische Sicherheitsbehörde ASNR mag neue Vorschriften erlassen, aber keine noch so teure Nachrüstung kann ein fundamental veraltetes, nicht dafür ausgelegtes Design gegen moderne Bedrohungen schützen.

EDF plant indessen, die Zukunft der Atomkraft mit neuen Reaktoren vom Typ EPR2 zu sichern. Allein der Blick auf das Prestigeobjekt Flamanville zeigt, welche Illusion das ist. 17 Jahre Bauzeit, unvorhergesehene Probleme über Probleme, bekannte Fabrikationsfehler und schwerwiegende Sicherheitsmängel – himmelhohe Kostenexplosionen – und das AKW ist immer noch nicht im regulären Betrieb. Wenn es dem Betreiber schon nicht gelingt, eine neue Anlage „sicher“ und pünktlich ans Netz zu bringen, wie glaubwürdig sind dann die Beteuerungen, man könne eine alte Schrottmühle wie Cattenom noch ein Jahrzehnt länger sicher betreiben, indem man, noch dazu über etliche Jahre gestreckt, ein paar Flickschustereien daran vornimmt?

Die französische Atompolitik ist ein Desaster, das auf Kosten der Sicherheit der gesamten europäischen Nachbarschaft ausgetragen wird.

Unser Appell: Laufzeitverlängerung stoppen! Cattenom sofort abschalten!

Wenn es zum Super-GAU kommt, orientiert sich die Verwaltung am sogenannten „Herca-Wenra-Ansatz“, und Luxemburg erweitert den Verteilungsbereich für Jodtabletten von 10 auf 20 Kilometer. Das ist eine rein kosmetische Maßnahme angesichts einer radioaktiven Wolke, die weder an Landesgrenzen noch an 20-Kilometer-Markierungen Halt macht. Zudem bieten Jodtabletten  nur begrenzt und nur für bestimmte Bevölkerungsgruppen Schutz, an eine geordnete Verteilung ist im Falle eines GAUs sowieso nicht mehr zu denken.

Die luxemburgische Armee hat im Ernstfall nicht einmal das Mandat, auf fremdem Hoheitsgebiet präventiv oder rettend einzugreifen. Dies demonstriert auf erschreckende Weise unsere regionale Ohnmacht. Wir sind dem französischen Staat, der das Atomrisiko als rein nationale Angelegenheit betrachtet, auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

Das Anti-Atom-Netz Trier sagt deutlich: Stoppt den Irrsinn! Cattenom muss jetzt vom Netz! Ein zusätzliches Jahrzehnt Betrieb ist kein akzeptables Restrisiko, sondern eine vorsätzliche Gefährdung von Millionen Menschen. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Profitinteressen eines Staatskonzerns über unsere elementare Sicherheit gestellt werden. Wir fordern die Bundesregierung, die Landesregierungen und Gemeinden der Grenzregionen, die Regierung Luxemburgs und die Europäische Union auf, den Druck auf Paris massiv zu erhöhen. Jede weitere Minute, die Cattenom läuft, ist eine Minute zu viel!