Frankreichs Atomdesaster treibt den Strompreis in der EU

Die 4 Blöcke das AKW Cattenom

Seit März sind 3 Blöcke des AKW Cattenom abgeschaltet.

10 Tage im Juni waren sogar alle 4 vom Netz. Eigentlich schön, wenn es nicht das Sinnbild für das französische Atomdesaster wäre!

Im November 21 musste der französische Stromkonzern EDF (Eletricité de France) seine neusten, d. h. auch schon mehr als 20 Jahre alten AKW Reaktoren vom Netz nehmen.

Die Folge: Massiver Stromeinkauf in Deut­schland, Belgien und NL um den französischen Strombedarf zu decken.

Das Rissproblem sorgt für Stillstand

Alle 56 französischen Reaktoren ( Alter zwischen 23 und 44 Jahren) sind im Prinzip baugleich. Bei den „jüngsten“ wurden Spannungsrisse an den Rohren des RIS Sicherheits-Einspeisesystems entdeckt, die direkt mit dem nuklearen Primärkreislauf verbunden sind. D. h. eigentlich müssten alle Reaktoren sofort kontrolliert werden. Die Risskontrollen finden übrigens unter den Bedingungen hoher radioaktiver Strahlung statt!
Die EDF legte die 12 jüngsten Reaktoren aus Sicherheitsgründen still. Andere Reaktoren sind wegen Wartungsarbeiten abgeschaltet, so dass 29 Atomkraftwerke (AKW) im April nur 37% statt rund 70% des französischen Strombedarfs lieferten.

Die Folge: 11 französische Gaskraftwerke laufen seitdem auf Hochtouren und die EDF muss Strom in der EU einkaufen. (Quellen: tagesschau.de 26.05.22, taz 13.07.22, Süddt. Zeitung 15.09.22)

Das Hitzeproblem im Sommer

Wegen Wassermangels in den Flüssen fielen die einzig nennenswerten erneuerbaren Energieträger Frankreichs, die Wasserkraftwerke, die 13% des Strombedarfs liefern, aus. Außerdem mussten AKW heruntergeregelt werden, weil die (Kühl-) Flüsse zu sehr aufgeheizt sind, und das obwohl immer neue Ausnahmegenehmigungen für heiße Kühlwasser­einleitungen erteilt wurden. Tarn und Garonne lagen im Juli bei 28°C und darüber (AKW Golfech).

Die Folge: Gegenüber Juli 21 hat sich der Stromexport im Juli 22 nach Frankreich fast versechsfacht! Neben Solar­strom handelt es sich dabei um Strom aus Gaskraftwerken – Gas das in Deutschland eigentlich für industrielle Zwecke benötigt wird. Im gasknappen Juli 22 wurde 13,5% mehr Strom in deutschen Gaskraftwerken erzeugt als im Juli 21, als das russische Gas noch floss! (tagesschau.de vom 18.08.22, Süddt. Ztg v.15.09.22)

Wie kommt der Strompreis zustande?

Für einen großen Teil des Stroms bestehen feste Lieferverträge zwischen Erzeugern und Lieferanten. Der Rest wird tagesaktuell an der Strombörse nach dem Merit Order Prinzip gehandelt. Zuerst kommt natürlich der billigste Strom zum Zuge, in der Regel Wind- und Solarstrom. Bei noch weiterer Stromnachfrage produzieren teurere Kraftwerke Strom, die teuersten sind die Gaskraftwerke. Und am Ende des Tages bestimmt der teuerste Produzent den Preis, den dann aber alle Produzenten bekommen.

So lohnt es sich für alle Stromkonzerne, teures Gas für den franzö­sischen Strombedarf zu verheizen!

Die Megawattstunde Strom kostet dadurch jetzt fast 1000 € gegen­über 85 € im Vorjahr. (Quelle: tageschau.de 02.09.22)

Auf diese Weise machen die deutschen Stromerzeuger Riesenge­winne mit der Gasknappheit – Gewinne, die die Bundesregierung gern abschöpfen würde, wenn sie denn wüsste wie!

Übrigens, wer eine Photovoltaikanlage auf dem Dach hat, profitiert natürlich nicht von „Merit Order“, sondern bekommt die gleiche Ein­speisevergütung von zur Zeit etwa 7 – 8 Cent pro kWh.

In Frankreich ist der Strompreis für die privaten Verbraucher gedeckelt!

Um das Märchen vom billigen Atomstrom aufrechtzuerhalten, gibt es in Frankreich ei­nen Strompreisdeckel für Privathaushalte.

Maximal um 4% durfte der Strompreis ge­genüber Oktober 21 steigen.

Die EDF macht jeden Monat riesige Verluste wegen der Preisdifferenz aufgrund der mas­siven Stromimporte.

Aber die französischen Steuerzahler müssen dieses Defizit anderweitig tragen: Der hoch verschuldete Konzern EDF ist zu 84% in Staatshand. Im Oktober will die französische Regierung für ca. 10 Milliarden € die restli­chen 16% der Aktien aufkaufen. Die Rating­agentur S&P geht davon aus, dass der Staats­konzern EDF noch dieses Jahr bei Schulden in Höhe von 100 Mrd. € lan­det!

Energiewende retten: Atomkraftwerke abschalten!

Welch ein Irrsinn: Kurz vor dem Abschalten der letzten drei AKW wollen CDU, CSU, FDP und AFD die Verunsicherung wegen des drohenden Gasmangels nutzen, um den Atomausstieg zu kippen und die Energiewende zu sabotieren. Und selbst etliche Grüne und Sozialdemokrat*innen gehen ihnen auf den Leim. Es gibt viele Möglichkeiten, Gas zu sparen – Atomkraft gehört nicht dazu. Atomkraftwerke heizen keine Wohnungen und erzeugen weder Dünger noch Plastik, eben dafür aber wird ein Großteil des Erdgases verbraucht. Auch AKW können keine Gaskraftwerke ersetzen, die die Aufgabe haben, das Stromnetz zu stabilisieren oder Fernwärme zu produzieren. Der Ausbau der erneuerbaren Energien hat die Stromproduktion aller AKW längst ersetzt (der abgeschalteten und der drei noch laufenden) – und noch dazu den Strom aus etlichen Kohlekraftwerken. Für windarme Perioden stehen genügend Kraftwerke bereit, die einspringen können.

Zusätzlich könnten kurzzeitige Lastspitzen mit zahlreichen Maßnahmen vermieden werden. Tatsächliche Versorgungs­engpässe im Winter sind nur in Frankreich zu befürchten, das noch immer auf Atomkraft setzt. Hilfslieferungen aus Deutschland sind wegen fehlender Leitungen ohnehin nur begrenzt möglich – und dies auch ohne Atomstrom. Die Sommerloch-Debatte um Atomkraft lenkt bloß ab von den wichtigen Fragen: Wo können wir tatsächlich Gas sparen, auch in der Industrie? Und wie können wir den Ausbau der günstigen erneuerbaren Energien beschleunigen – damit wir keine teuren fossilen und atomaren Rohstoffe mehr brauchen? Atomkraft? Schluss jetzt – spätestens am 31.12.2022 15.04.2023!

Wusstest Du, dass …

… der sog. „Streckbetrieb“ der 3 noch laufenden AKW weniger als 0,2% und damit so gut wie kein Gas sparen würde? Eine Düngemittel-Fabrik . verbraucht ein Vielfaches davon! Im Privatbereich lässt sich mit der Raumtemperaturabsenkung um 1 Grad 7mal mehr Gas einsparen.

der Betrieb von elektrischen Heizlüftern trotz der gestiegenen Gaspreise um ein Vielfaches teurer ist als Gasheizungen?

selbst bei einem Stopp der Lieferungen aus Russland niemandem das Gas zum Heizen abgedreht werden wird?

ein AKW-Weiterbetrieb den Steuerzahler*innen immense Kosten aufladen + Energiekonzernen weitere Rekordgewinne besche­ren würde?

in allen AKW der Verdacht besteht, dass sich unerkannt Risse gebildet haben und/oder bereits gefunden wurden und die Unfallgefahr . . aufgrund von Altersmängeln mit jedem Tag steigt?

die vorgeschriebenen „Periodischen Sicherheitsüberprüfungen“ mit Blick auf den gesetzlichen Abschalttermin Ende 2022 in allen 3 AKW seit . 2009 nicht mehr durchgeführt wurden und jeder Weiterbetrieb nur mit großen Abstrichen bei der Sicherheit möglich wäre?

die AKW-Betreiber bei einem Weiterbetrieb der Anlagen nicht bereit sind, das Unfallrisiko zu tragen?

der AKW-Betrieb nach dem 31.12.22 eine Atomgesetzänderung erfordern und damit auch den Atomausstieg in Frage stellen würde?

die CDU, CSU + FDP-Spitzen öffentlich erklärten, Ziel ist der jahrelange AKW-Weiterbetrieb – ein „Streckbe­trieb“ nur der 1. Schritt dazu?

Mehr Infos samt Quellenangaben zu diesem Abschnitt unter ausgestrahlt.de/akw-abschalten

Zwei süddeutsche AKW als Kaltreserve ?

Strommast vor Dorfkulisse mit AKW-Zeichen in rotem Warndreieck

Wirtschaftsminister Habeck hat mit der Idee der „Kaltreserve“ dem Druck der Atomlobbyisten in CDU/CSU, FDP und in Krei­sen der Industrie nachgegeben. Zu den Lobbyisten gehört auch der russische Atomkonzern Rosatom mit seiner Tochter­firma Nukem Technologys im bayrischen Alzenau. Zurzeit lie­fert Rosatom angereichertes Uran an die Brennelementefa­brik in Lingen im Emsland, die makabererweise vom sog. Atomausstieg ausge­nommen ist. Gasembargo, Ölembargo aber kein Uranembargo gegenüber Russland? (Hannoversche All­g. Z. 24.06.22, TV 17./18.09.22)

Jedenfalls bestätigt der Betreiber von Isar 2 Habecks Verweis auf die Hochrisikotechnologie Atomkraft. PreussenElektra Chef Knott erklärt das Wiederanfahren des Reaktors nach Ab­schaltung für zu gefährlich, zumal die Brennelemente fast ab­gebrannt sein werden. (Spiegel 37/10.09.22) Einen Reaktor, den man nicht wieder an­fahren kann, sollte man so schnell wie möglich für immer stilllegen! Übrigens Vorlauf für die Fertigung neuer Brenn­elemente: ca. 1 ½ Jahre.

Neue AKW in Frankreich ?

Vor seiner Wiederwahl hat Macron vollmundig Pläne zum Bau neuer Atomkraftwerke verkündet.

Dabei dauert der einzige AKW Neubau in Frank­reich schon 15 Jahre (AKW Flamanville, seit 2007). Eine Inbetriebnahme ist nicht abzusehen, die Bau­kosten sind allerdings von den geplanten 3,3 Mrd. bis Januar 2022 auf 12,7 Milliar­den € gestiegen. (FR 15.01.22)

Mit diesem Geld hätte man in Frankreich sehr viele Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen installie­ren können. Dann gäbe es jetzt keine französischen Stro­mengpässe, die sich in der ganzen EU auswir­ken! Aber dank EU Taxo­nomie kann die frz. Regier­ung auf EU Fördermittel für das Milliarden­grab Flaman­ville und die anderen maroden AKW zugreifen.