Endlagerprojekt Bure

Bure, das Atomklo inmitten der Großregion?

Konterkariert Bure die Energiewende und sichert den Weiterbetrieb u.a. von Cattenom?

Demo in Bure
Demo in Bure

Bure liegt 150km Luftlinie von der deutsch-französischen Grenze in der Großregion Saar-Lor-Lux-Rheinland-Pfalz. Das Dorf hat rund 100 Einwohner und liegt an der Grenze der Departements Meuse sowie Meurthe et Moselle. In der Region sind schon zwei Atommülllager: Soulaines und Velaines für schwach bis mittelradioaktiven Müll. Ein weiteres Endlager dieser Art wurde bisher durch den Widerstand von Gemeinden verhindert. Bure als „Versuchslabor“ für hochradioaktiven Müll wurde dagegen von vielen Bürgermeistern akzeptiert, Millionen flossen in die Kassen von Gemeinden, die Zustimmung sei erkauft worden so die Kritiker.

Auf der Gemarkung von Bure errichte die französische Atommüllagentur ANDRA (Agence Nationale pour la Gestion des Déchets Radioactifs) ein sogenanntes Versuchslabor für die Endlagerung von hochradioaktivem Müll. Begonnen wurden die Bohrarbeiten in Bure 1994. Seit dem gibt es auch Widerstand. 2000 wurde trotz Protest aus ganz Frankreich und auch dem angrenzenden Ausland in rund 500 Metern Tiefe ein “Forschungslabor” eingerichtet – ein etwa 500 Meter langer, 4,5 Meter hoher und 3,5 Meter breiter Tunnel. Hier untersuchen Geologen, Chemiker und Physiker – auch aus Deutschland und mit deutschen und europäischen Forschungsgeldern, ob die etwa 130m dicke Lehmschicht für die Einlagerung von hochradioaktiven Abfällen geeignet ist. Nach Angaben der ANDRA ist das Lager zunächst für 6000 Kubikmeter Müll konzipiert. Dies ist die Menge, die seit Inbetriebnahme der heutigen französischen Atomkraftwerke bereits entstanden ist und bis 2030 noch anfallen wird. Für die nächste Generation von Atomkraftwerken, die Europäischen Druckwasserreaktoren (EPR), müssten die Kapazitäten erweitert werden.

Europäisches Endlager mit deutscher Unterstützung?

Installationen CIGEO Bure
Installationen der CIGEO in Bure, Bild: world nuclear news

Umweltschützer befürchten, dass in dem Endlager auch Atommüll aus dem Ausland landen könnte, beispielsweise aus Deutschland. Zudem liegt Bure auf der Route von der Wiederaufbereitungsanlage La Hague in Richtung deutsche Grenze. Sie kritisieren das Projekt aus demokratischen, politischen und wissenschaftlichen Gründen (s.u.)

Die europäische Dimension und die deutsche Verquickung zeigen Meldung deutscher Medien: „Endlager-Standort zu werden ist wegen der staatlichen Subventionen äußerst lukrativ. Das lothringische Bure hat gute Chancen.“ (ZDF, Heute in Europa 30.10.2011). „Deutsche Forscher von der Bundesanstalt für Geowissenschaften in Hannover halten das im Bau befindliche Atommüllendlager im lothringischen Bure für ausreichend sicher. Das Tongesteinin rund 500 Metern Tiefe sei sehr dicht.“ (SR 7.10.2011) oder: „Ab dem Jahr 2025 soll im französischen Dorf Bure mit der Lagerung hochradioaktiver Abfälle begonnen werden. Die Forschungsarbeiten dazu werden von Deutschland finanziell mitunterstützt.“ (Deutschlandfunk: 18.10.2011) Dabei geht es nicht nur um deutsches Geld und Forschung, sondern auch um handfeste Hilfe: „Im saarländischen Lehrbergwerk Velsen werden derzeit französische Bergleute für das mögliche Atommüllendlager in Bure bei Toul ausgebildet. Es handelt sich um eine Kooperation zwischen deutschen Stellen und der Atommüllbehörde in Paris.“ (SR 10.10.2011)

Ursprünglich schrieb das Gesetz von 1991 die Untersuchung von drei Standorten (auch im Granit) vor, da der Widerstand an den anderen vorgesehene Standorten zu stark war, wurde nur Bure umgesetzt. Im Sommer 2006 wurde ein Gesetz über die Entsorgung der radioaktiven Abfälle durch nur 19 von 577 Abgeordneten des französischen Parlaments angenommen (mehr waren nicht anwesend!) – sie bestätigten damit die Fortsetzung der Forschungen bis 2015. Dann soll ein Umwandlungsgebiet entstehen (zone de transposition), d.h. in einem Gebiet 200 Quadratkilometer um Bure kann unterirdisch das Endlager entstehen. Entgegen anfänglicher Behauptungen wird inzwischen auch von irreversiblen Einlagerungen gesprochen. Die neuesten Pläne nennen sich Centre Industriel de Stockage Géologique CIGEO es umfasst ein riesiges Gebiet inklusiver oberirdischer Atomanlage mit erhöhten Grenzwerten. Nach bisheriger Planung soll mit der Einlagerung hochradioaktiver Abfälle ab 2025 begonnen werden.

Von der Politik ignorierte Kritikpunkte

Bure STOP Aufkleber
Bure STOP Aufkleber
  1. Es gibt einen eklatanten Widerspruch zum Gesetzt das drei Standorte vorschreibt – nur Bure zu untersuchen ist eine äußerst fragwürdige Vorfestlegung.
  2. Es gab millionenschwere Subventionen mit denen die Zustimmung zu einem „Versuchslabor“ erkauft wurden, echte Bürgerbeteiligung sieht anders aus und wird auch im Nachhinein nicht glaubwürdig.
  3. Es gibt auch eine deutsche und europäische Beteiligung (EURATOM) – geht es also doch um ein europäisches Endlager? Das Projekt muss auch die angrenzenden Regierungen interessieren, diese müssen eingebunden werden und sollten sich einmischen – wer gegen Cattenom ist muss auch gegen Bure sein!
  4. Es gibt laut einer Untersuchung der Geologen Murrot und Muller geologischen Verwerfungen im Gebiet, diese fehlen auf der Karte der ANDRA.
  5. Das Gebiet hat einen grundwasserreichen Untergrund, was die Gefahr einer radioaktiven Verseuchung erhöht – es geht um die hydrogeologischen Zusammenhänge z.B. bis ins Pariser Becken.
  6. Das Geothermiepotential wird nicht untersucht – Gesetze verbietet dann eigentlich andere Nutzungen.
  7. Bei der gesamten Planung und Durchsetzung des Endlagerprojekts fehlte Bürgerbeteiligung und Transparenz – jetzt sind Tatsachen und Abhängigkeiten geschaffen worden.
  8. Endlagerung von Atommüll dient dem Weiterbetrieb von Atomanlagen. Daher ist für die Antiatombewegung wichtig: Keine weitere Produktion von Atommüll! Wenn die Badewanne überläuft, muss zuerst der Hahn abgedreht werden und dann kann man sich der Eingrenzung des Schadens widmen. Es wird erst dann möglich sein, einen gesellschaftlichen Konsens über den Umgang mit Atommüll zu erreichen, wenn keine neuen hochradioaktiven Abfälle mehr produziert werden. Denn so lange manche Konzerne mit dem Betrieb von Atomkraftwerken noch viel Geld verdienen können, wird es aller Erfahrung nach keine ehrliche und auf größtmögliche Sicherheit bezogene Entsorgungs-Debatte geben. Die Risiken der am wenigsten schlechten Lagermethode sind nur dann hinnehmbar, wenn diese nicht zur Legitimation von weiterer Atommüll-Produktion missbraucht wird. Wer mit drei Autos mit defekten Bremsen zum TÜV kommt, bekommt nicht fürden am wenigsten defekten PKW die Plakette, sondern gar keine. Diese Regel kann für Atommüll-Lager nur dann gebrochen werden, wenn die AKW stillgelegt sind.
Demo in Bure
Demo in Bure

Es ist wissenschaftlich nicht seriös ein Endlager für Millionen Jahre als sicher zu bezeichnen, es geht um Wahrscheinlichkeiten nach dem bisherigen Stand der Forschung. Tatsächliche Erfahrungen mit Verpackung, Gestein, Erdbeben, Meeresspiegelanhebungen, Verwerfungen, Reaktionen auf Hitze und Radioaktivität (der Müll ist heiß und strahlt noch Tausende Jahre!) gibt es nicht – die zeitliche Dimension (z.B. ein Testzeitraum von 1000 Jahren), die für eine seriösere Aussage für eine Millione Jahre notwendig ist, kann es auch nicht geben. Denn der Müll sollte eine Millionen Jahre sicher von der Biospähre abgeschirmt sein – die Unsicherheit ob zukünftige Gesellschaften noch wissen, was da verbuddelt ist, kommt dazu – von der Gefahr terroristische Anschläge und Weietrvewendung des radioaktiven Materials ganz zu schweigen. Erst müssen die Fehler der Vergangenheit aufgearbeitet werden Wesentliche Experten und von der Regierung beauftragte Forschungsinstitute haben über Jahrzehnte behauptet, die Endlager Morsleben und Asse seien auf Dauer sicher. Heute ist bekannt, dass sich diese Gutachter fatal geirrt haben: Morsleben stürzt ein und die Asse säuft ab – es gibt noch kein Konzept zur Bergung der plutoniumhaltigen Atommüllsuppe. Bisher haben diese Wissenschaftler und die Politiker nicht aufgearbeitet, warum ihnen diese Fehleinschätzungen unterlaufen sind. Wer aber die Fehler der Vergangenheit nicht erkennt, läuft Gefahr, sie in Zukunft zuwiederholen. Gleiches gilt für die politisch Verantwortlichen, deren wesentliche Entscheidungen in der Atommüll-Frage sich im Nachhinein als große Fehler erwiesen haben.

Protest und Widerstandshaus

Bure Zone Libre
Bure Zone Libre

Neben dem französischen Netzwerk Atomausstieg, der französischen Koordination gegen Atommüllendlagerung, örtlichen Initiativen und internationalen Unterstützern aus angrenzenden Ländern, gibt es seit
2004 auch das internationale Widerstandshaus „Bure Zone Libre“ – ein strategischer Ort gegenüber dem Infobüro CLIS: Kritiker nennen es das Büro der Pseudobürgerbeteiligung und Verdummung. 2004 wurde ein alter Bauernhof mitten in Bure gekauft und seitdem renoviert – er dient jetzt als Treffpunkt für Atomkraftgegner/Innen für Austausch und Information. Mit Übernachtungsmöglichkeiten ist es ein Ort für workshops, Ausstellungen und Veranstaltungen. Zudem wird hier praktisch die Energiewende umgesetzt: Holzheizung, Windrad, Solaranlage, Trockenklos, ein Gemüsegarten und die Erhaltung alter Bausubstanz kombiniert mit moderner Dämmung (z.B. Isoflok) und Lehmbauelementen. Jährlich gibt es Protestaktionen und ein Festival (2013: 30.8 – 1.9.) sowie Treffen.

Fazit:

Demo in Bure am 6. März 2010
Demo in Bure am 6. März 2010

Bure hat europäische Dimension und für Atomkraftgegner/Innen ist klar: Bure soll trotz aller Kritikpunkte als Endlager durchgesetzt werden, hier ist internationale Solidarität durch Parlamente und Bevölkerung notwendig, sonst wird mit Bure eine „Scheinlösung des unlösbaren Atommüllproblems“ geschaffen, diese ermöglicht den Weiterbetrieb von Atomanlagen wie z.B. Cattenom.

Stand 1/2013 © Markus Pflüger, Stop Bure Trier / Antiatomnetz Trier, Mitglied im Verein Bure Zone Libre, Kontakt: mail@markus-pflueger.de

Informationen als pdf:

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