Übersetzung der Stellungnahme der DRP zur Laufzeitverlängerung der 1300-MWe-Kraftwerke

Von | 17.09.2024

Frz. Orginal-Stellungnahme der DRP zur Laufzeitverlängerung der 1300-MWe-Kraftwerke (PDF – 600 KB)

Das Dokument enthält eine Stellungnahme der luxemburgischen Strahlenschutzbehörde (DRP) zur geplanten Laufzeitverlängerung französischer Kernkraftwerke des Typs 1300 MWe. Die DRP erkennt zwar die vorgeschlagenen Sicherheitsverbesserungen an, äußert aber Bedenken hinsichtlich spezifischer Punkte und fordert zusätzliche Maßnahmen, um ein Höchstmaß an nuklearer Sicherheit zu gewährleisten, insbesondere im Hinblick auf das Kernkraftwerk Cattenom, das nahe der luxemburgischen Grenze liegt.

Hier unsere deutsche Übersetzung der französischsprachigen Dokuments, Übersetzung ohne Gewähr:


ABTEILUNG FÜR STRAHLENSCHUTZ

Luxemburg, 8. August 2024

Stellungnahme der DRP zur Laufzeitverlängerung der 1300-MWe-Kraftwerke

Im Rahmen der generischen Phase des Verfahrens zur Laufzeitverlängerung der französischen 1300-MWe-Kernkraftwerke hat die Abteilung für Strahlenschutz (DRP) die Vorschläge des Betreibers EDF analysiert, wie sie im Dokument “Antwortnotiz zu den Zielen der 4. regelmäßigen Überprüfung der 1300-MWe-Stufe” formuliert sind. Obwohl die DRP die vielen positiven Aspekte der vorgeschlagenen Sicherheitsverbesserungen anerkennt, ist sie der Ansicht, dass die im Folgenden dargestellten Punkte zusätzliche Aufmerksamkeit verdienen. Dies ist notwendig, um sicherzustellen, dass die Vorschläge vollständig den grundlegenden Prinzipien der RICHTLINIE 2009/71/EURATOM DES RATES vom 25. Juni 2009 zur Schaffung eines Gemeinschaftsrahmens für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen in ihrer geänderten Fassung entsprechen. Insbesondere hat die DRP geprüft, ob die Aspekte Transparenz1 und Sicherheitsziel2 in den Vorschlägen ausreichend berücksichtigt sind.

1. Leistung der Filter in der Belüftungs- und Filteranlage

Es stellt sich die Frage nach dem Einsatz der neuesten Generation von Belüftungs- und Filteranlagen, insbesondere aufgrund der Nähe des Kernkraftwerks Cattenom zu unserer Grenze. Das IRSN schätzt insbesondere, dass angesichts des technologischen Fortschritts bei der Filtration und der industriellen Entwicklungen der Zusatz von Filtermedien (z. B. auf Silberbasis) in der Belüftungs- und Filteranlage des Sicherheitsbehälters die Jodfreisetzung (Jod in molekularer und organischer Form) reduzieren und damit die radiologischen Folgen für die Bevölkerung und die Umwelt im Falle einer Entlüftung des Sicherheitsbehälters erheblich verringern würde. Es erscheint uns vernünftig und kohärent, die Filter im 1300-MWe-Park durch eine leistungsfähigere Vorrichtung zu ersetzen, wie es beim EPR bereits der Fall ist. EDF hat erklärt, dass die Häufigkeit von Spätfreisetzungen durch andere Maßnahmen reduziert wurde und damit das Ziel der Verringerung von Spätfreisetzungen erreicht wurde. Der EPR, bei dem die Häufigkeit solcher Situationen ebenfalls reduziert wurde, ist dennoch mit Filtern der neuesten Generation ausgestattet.

Wir sind daher der Ansicht, dass ein Austausch oder eine Modernisierung des Filtersystems eine wichtige Maßnahme wäre, um den von den Freisetzungen im Falle eines schweren Unfalls betroffenen Bereich erheblich zu verringern. Darüber hinaus möchten wir die Frage aufwerfen, ob die Vorrichtungen zur Druckentlastung des Sicherheitsbehälters im Falle eines Unfalls mit Kernschmelze nicht zum harten Kern gehören sollten.

2. Klimawandel

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Folgen des Klimawandels schwer vorhersehbar sind. So haben sich die Kriterien und Anforderungen aus der Zeit des Baus der 1300-MWe-Reaktoren erheblich weiterentwickelt. Die DRP begrüßt die bereits geleistete Arbeit zu den Themen Hitzewellen, starke Winde und starke Regenfälle. Dennoch wäre es angebracht, die aktuellen Unvorhersehbarkeiten neu zu bewerten und die Studien über die künftigen Auswirkungen des Klimawandels zu vertiefen, um ein Höchstmaß an nuklearer Sicherheit zu gewährleisten.

3. Widerstandsfähigkeit gegen externe Einwirkungen

Der versehentliche Absturz eines Flugzeugs auf das Brennelementegebäude wurde nach den verfügbaren Unterlagen nicht untersucht. In dem von EDF vorgelegten Dokument beschränkt sich die Prävention gegen herabfallende Lasten auf interne Stürze (Baugruppen oder Transportverpackungen). Das Sicherheitskonzept des EPR hingegen sieht beispielsweise eine “Flugzeughülle” auf dem Brennelementegebäude vor, um sich vor externen Angriffen zu schützen.

Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat zu Szenarien geführt, die zuvor kaum als realistisch angesehen wurden. Eine Bunkérisation bestimmter Schlüsselausrüstungen eines Kraftwerks kann tatsächlich die Widerstandsfähigkeit gegen externe Angriffe (natürliche oder andere) erhöhen. Die DRP ist sich durchaus bewusst, dass nicht alle Informationen zu diesen Sicherheitsthemen veröffentlicht werden können. Jeder Bürger, der kein Spezialist auf dem Gebiet der Kernenergie ist, kann jedoch die Unterschiede in der Konstruktion zwischen einem Brennelementegebäude eines EPR und dem eines Reaktors der 2. Generation beobachten.

Wir halten es daher für sinnvoll, Ausgleichsmaßnahmen (falls der Bau einer “Flugzeughülle” nicht möglich ist) zu prüfen, die darauf abzielen, das Risiko einer Kernschmelze des im Brennelementegebäude gelagerten abgebrannten Brennstoffs infolge verschiedener externer Einwirkungen weiter zu verringern.

4. Sicherheitsziel

Das Sicherheitsziel zielt darauf ab, das Sicherheitsniveau der 1300-MWe-Anlagen dem aktuellen Stand von Technik und Wissenschaft anzunähern. Die DRP begrüßt diesen ehrgeizigen Ansatz und räumt gleichzeitig ein, dass ein Sicherheitsniveau, das dem der modernsten Kernkraftwerke (wie dem EPR) entspricht, nicht erreicht werden kann. Auch wenn viele Maßnahmen in die richtige Richtung gehen und die Widerstandsfähigkeit des Reaktors gegen einen möglichen Unfall erhöhen, wird es weiterhin Unterschiede geben zwischen den Kernkraftwerken mit verlängerter Lebensdauer, die nach niedrigeren Anforderungen betrieben werden dürfen, und den neuen Reaktoren, deren Baugenehmigung nach 2014 erteilt wurde (geänderte Richtlinie 2014/87/Euratom über die nukleare Sicherheit) und die nach strengeren Normen ausgelegt, gebaut und betrieben werden.

Eine fundierte Entscheidung erfordert nicht nur Informationen über die Übereinstimmung der 1300-MW-Reaktoren mit den geltenden Vorschriften, sondern auch Informationen über die Risiken, die während der verlängerten Betriebsdauer des 1300-MWe-Parks weiterhin für die Bevölkerung in Frankreich und im Ausland bestehen werden. Um eine gute Transparenz zu gewährleisten, wäre es unserer Meinung nach sinnvoll, den Sicherheitsgewinn der verschiedenen Maßnahmen und die verbleibende Abweichung von einem Reaktor des Typs EPR klar zu erläutern oder sogar zu quantifizieren. Einige Beispiele dafür, worauf sich dies beziehen sollte, sind im Folgenden aufgeführt:

  • Es ist geplant, eine Vorrichtung zur Stabilisierung des Coriums auf dem Reaktorboden hinzuzufügen. Diese Vorrichtung ähnelt in der Tat dem Core-Catcher des EPR. Es ist jedoch auch klar, dass es sich nicht um genau dasselbe handelt und dass diese Verstärkung der Betonplatte im Falle eines Unfalls nicht in gleicher Weise die Rückhaltung des geschmolzenen Coriums gewährleisten wird.
  • Die Auslegung des Reaktors basiert auf einem Konzept aus den 70er Jahren mit weniger Redundanz als ein Reaktor der neuesten Generation. So verfügen die Reaktoren über 2 Sicherheitssysteme im Vergleich zu 4 beim EPR. Auf der anderen Seite scheint es andere Maßnahmen zur Erhöhung der Redundanz zu geben, darunter neue Kühlquellen, zusätzliche Notstromdiesel und die Elemente des harten Kerns. Viele dieser Verbesserungen wurden bereits bei den verschiedenen Arbeiten nach Fukushima umgesetzt. Es wäre interessant, mehr Informationen darüber zu erhalten, wie diese verschiedenen Maßnahmen die ursprünglichen Konstruktionsmängel teilweise oder vollständig kompensieren können.
5. Fortschrittliche Technologien

Der rasche Fortschritt neuer Technologien könnte es letztlich ermöglichen, bestimmte Aspekte des Betriebs von Kernkraftwerken zu verbessern. Ohne das Bestehende zu ersetzen, könnten Anwendungen der künstlichen Intelligenz beispielsweise die Analyse von Parametern und die Planung der Wartung verbessern. Wir sind daher der Ansicht, dass dieses Thema besondere Aufmerksamkeit verdient, um – unter äußerster Vorsicht – die potenziellen Vorteile des Einsatzes künstlicher Intelligenz für die Sicherheit von Kernkraftwerken zu bewerten.

6. Management von Notfallsituationen

Wir sind der Ansicht, dass es angebracht wäre, die Notfallvorsorge im Rahmen des 4. Zehnjahresprozesses neu zu bewerten. Um das Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung auch auf diese 5. Stufe der Tiefenverteidigung anzuwenden, schlagen wir vor:

  • die für die Planung berücksichtigten Szenarien zu überprüfen (z. B. Einbeziehung kombinierter Szenarien – natürliche und böswillige Angriffe);
  •  die Kommunikation und Koordinierung zwischen den Behörden, einschließlich der Nachbarländer, zu verstärken;
  • die Häufigkeit von Übungen zu erhöhen und diese Übungen zu nutzen, um die Wirksamkeit der Notfallpläne zu bewerten.

Frz. Orginal-Stellungnahme der DRP zur Laufzeitverlängerung der 1300-MWe-Kraftwerke (PDF – 600 KB)