Beitrag von Richard Pestemer zur Lage in Fukushima, Fukushima-Kundgebung 2023 in Trier

Von | 11.03.2023

Stand: Ende November 2022

(für weitere neuere Infos siehe auch Artikel vom 24.02.2023 aus dem IPPNW-Forum 173/20223 von Jörg Schmid, Arbeitskreis Atomenergie)

1) Zustand der Reaktoren

Mit den Aufnahmen vom Mai 2022 durch einen speziellen Unterwasserroboter ist zum ersten Mal klar geworden, wie gefährlich es steht um den Zustand des Reaktor Nr. 1 von Fukushima Daiichi: Durch die Kernschmelze ist der Beton des sogenannten „Pedestrals“ (Sockel/Podest/Fundament) des Druckbehälters vom Reaktor 1 teilweise geschmolzen und die Stahlkonstruktion steht bloß ohne Beton, wobei sie auch stark durch Erdbeben u.a. verborgen ist (siehe Foto). Experten alarmieren zu Recht, dass diese bereits stark beschädigte und verborgene Stahlkonstruktion nicht noch mal ein starkes Erdbeben standhalten würde. Wenn es wieder ein starkes Erdbeben geben würde und diese Stahlkonstruktion umkippen würde, dann würde es wieder zum Austritt von extrem hoher radioaktiver Strahlung führen. Die Lage sei äußerst kritisch, heißt es.

2) Laufzeitverlängerung

Richard Pestemer

Japan will die maximale Laufzeit seiner Atomkraftwerke auf mehr als 60 Jahre verlängern. Nach einem vorgelegten Regulierungsvorschlag der nuklearen Aufsichtsbehörde NRA würden Kraftwerke, die 30 Jahre oder mehr erreicht haben, künftig alle zehn Jahre einer „verschärften“ Sicherheitsprüfung unterliegen, um eine Betriebsgenehmigung für ein weiteres Jahrzehnt zu erhalten. Die pauschale Obergrenze für die Laufzeit entfiele so. Der Vorschlag, der französischen und britischen Regeln ähnelt, dürfte der endgültigen Lösung sehr nahekommen, weil die Atomaufsicht letztlich über die Betriebsdauer einzelner Kraftwerke entscheidet. Bis Jahresende will die Regierung die neue Laufzeitlinie fixieren. Nach dem Unfall im Kraftwerk Fuku­shima Daiichi im Jahr 2011 hatte Japan im Prinzip eine maximale Laufzeit von 40 Jahren für seine Kernkraftwerke gesetzt. Schon nach den bestehenden Regeln können japanische Kernkraftwerke so erheblich länger Strom liefern als die verbliebenen drei deutschen Reaktoren. In Japan sind vier Reaktoren älter als 40 Jahre und haben eine Laufzeitverlängerung auf 60 Jahre erhalten. Der älteste ist 47 Jahre alt. Außerdem will die Regierung, dass die alten AKW, die ausgeschaltet werden müssen, durch „neue“ Anlagen ersetzt („replace“) werden. Der Widerstand in der jap. Bevölkerung ist zwar groß, die Unterschriftensammlung hat begonnen, aber die Regierung macht (genauso wie überall, auch in Deutschland) so viel Propaganda und Stimmung in dieser „Energiekrise“, damit wieder viele Menschen daran glauben, dass die Atomenergie doch wichtig wäre auch im Kampf gegen die Klimakrise.

3) Einleitung des radioaktiven Wassers

Die Genehmigung des 1km-langen Unterwassertunnel für die Einleitung des radioaktiven Wassers (das davor noch „stark verdünnt“ werden soll) ist durch die Atomaufsichtsbehörde Japans erteilt worden und man hat die Arbeit begonnen, obwohl die Fischerverbände u.a. der Gegend noch strikt dagegen sind. Tepco hatte davon versprochen, dass es nicht zur Ableitung kommen würde, solange die Menschen vor Ort nicht damit einverstanden seien. Außerdem ist es unklar, was mit der abgetragenen, vermutlich hoch radioaktiv verseuchten Erde aus dem Wasser geschieht, was bei dem Tunnelbau entsteht.

4) Urteil des Obersten Gerichtshof über die Fukushima-AKW-Sammelklage „Nariwai o kaese chiiki o kaese“ („Gebt unsere Lebensgrundlage zurück, stellt unsere Heimat wieder her!“)

Mit dieser Sammelklage wollten die Betroffenen verlangen, dass der Staat und Tepco zur vollen Verantwortung gezogen werden und Abhilfe der Not der Geschädigten fordern. Trotz der Prognose fiel das Urteil des Obersten Gerichtshof im Juni 2022 enttäuschend aus, denn es erkannte keine Verantwortung des Staats an. Das Vier-Richter-Gremium sprach mit 3:1 Stimmen die jap. Regierung von der Verantwortung für Massenevakuierungen nach dem Reaktorunfall frei. Nach diesem Urteil ist Tepco allein für etwas über JPY 1,4 Mrd. Schadenersatz in den vier Klagen verantwortlich.

5) Endlagersuche

Zwei kleine Gemeinden in Hokkaido haben sich um den Standort des Endlagers beworben – also zugestimmt, dass Untersuchungen und Verträglichkeitsprüfungen dort stattfinden – im Alleingang des Gemeinderates. Als “Belohnung” für diese freiwillige Kandidatur und für die Untersuchung sollen diese Gemeinden viel Geld bekommen. Dabei ist diese Region, sagen viele Geologen, ungeeignet für so ein Tiefenlager, dort soll man durch von großem Erdbeben ausgelöste Stöße oder durch Verschiebungen verschiedener Erdschichten beobachten können.

Die Einwohner dort, die mit dieser Entscheidung nicht einverstanden sind, tun sich allmählich zusammen, um gegen dieses Vorhaben zu protestieren, die Bewegung ist aber noch sehr klein und vor allem sehr jung. In der Gemeinde Suttsu gibt es eine Gruppe, die nun eine Internet-Präsenz hat (auch wenn nur auf Japanisch), aber in der anderen Gemeine Kamoenai gibt es leider noch keine feste Gruppierung des Widerstands.

Durch meine Übermittlung hat BI Lüchow-Dannenberg schon eine Soidaritätsbekundung an diese Gruppe gegeben, nachdem die Gruppe aus Bure, Frankreich (da, wo das Endlager in Frankreich geplant ist) auch so eine Botschaft an die Gruppe in Suttsu gesendet hatte.

Richard Pestemer