Auch Atomkraftwerke sind von Hochwasser bedroht, endgültige Abschaltung ist dringend notwendig!

Von | 28.07.2021

Es ist schon schlimm genug was die Flutkatastrophe angerichtet hat – doch Atomkraftwerke (AKW) sind eine weitere zusätzliche enorme Gefahr, die eine solche Flutkatastrophe zum kompletten Fiasko werden ließe. Das darf nicht weiter ausgeblendet werden, wenn kein 2. Fukushima auch mitten in Europa riskiert werden soll.

Wenn man sich vorstellt, dass zusätzlich zu den verheerenden Folgen des Hochwassers, durch das Menschen ihre Existenz oder ihr Leben verloren haben, noch das Havarieren eines Atomkraftwerks dazu kommen könnte, ist die sofortige Abschaltung der Atomanlagen nur logisch und konsequent. Durch die fortschreitende Klimakrise steigt das Risiko beim Betrieb von Kernkraftwerken weiter an, denn alle Atomkraftwerke liegen wegen ihres enormen Kühlwasserbedarfs an Flüssen oder anderen Gewässern.

Es geht um zwei entgegengesetzte Szenarien – beide durch den Klimawandel mit hervorgerufen:

  • Wenn die Temperatur der Flüsse bei anhaltenden Hitzeperioden steigt, wird das Wasser zur Kühlung zu warm. In Frankreich mussten Atomreaktoren deswegen schon heruntergefahren werden.
  • Wenn es zu Extrem-Regenfällen kommt, Flüsse massiv über die Ufer treten und AKW-Gelände überfluten, kann das fatale Folgen haben. Es kann zum Ausfall elektrischer Systeme kommen, ein Hochwasser-bedingter Stromausfall könnte im Ernstfall zum gefürchteten Station Blackout führen, wovor die Atomaufsicht ausdrücklich warnt.

Und selbst abgeschaltete Reaktoren sind für die Kühlung weiterhin auf elektrische Versorgung angewiesen. Zudem würde im Störfall der Zugang durch Rettungskräfte durch das Hochwasser stark behindert oder gar unmöglich. Das Umweltinstitut München forderte deshalb bereits letzte Woche eine Abschaltung gefährdeter Atomreaktoren in Europa.

Konkret geht es in der Region um die belgischen Reaktoren in Tihange und Doel:

Die Gefahr zeigte sich in der aktuellen Hochwassersituation beispielsweise beim belgischen Atomkraftwerk Tihange, das über den Fluss Maas gekühlt wird. Beobachter schlugen Alarm: Die Lage im belgischen Tihange sei inzwischen zwar „stabil“, die Atomaufsicht sprach aber von „erhöhter Wachsamkeit“. Die belgischen AKW Tihange und Doel sind seit Jahren in den Schlagzeilen, in Block 2 wurden wiederholt Risse im Reaktorbehälter gefunden, Anwohner*innen fordern die Abschaltung.

Auch das AKW Doel ist unzureichend gegen extreme Regenfälle geschützt: In der Vergangenheit hatte das Drainagesystem bereits versagt, worauf das Umweltinstitut München im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung zur Laufzeit­verlängerung der AKW Doel 1 & 2 erst vor Kurzem hinwies.

Welche Folgen ein unzureichender Überflutungsschutz auf ein Atomkraftwerk – auch Cattenom – haben kann, hat beispielsweise die Reaktorkatastrophe in Fukushima gezeigt. Tsunamiwellen überfluteten den Standort und zerstörten wichtige Sicherheitssysteme, was letztlich zum Ausfall der Kernkühlung und im weiteren Unfallverlauf zu Kernschmelzen führte. Aber auch ein Flusshochwasser kann für ein Atomkraftwerk zum Sicherheitsrisiko werden. So wurde der US-AKW­-Standort Fort Calhoun in Nebraska während der Missouri River Flood 2011 von einem wochenlangen Hochwasser eingeschlossen.

Einen weiteren Gefahren-Aspekt hat eine Studie aus der Schweiz aufgezeigt: Bei einem extremen Hochwasser würde das Gelände der beiden AKW Gösgen und Beznau über einen Meter tief geflutet. Neben der Gefahr durch Schwemmholz werden starke Kräfte gegen die AKW-Gebäude durch bis zu 4m hohes Wasser diagnostiziert. Neue Relevanz bekommt ein bisher wenig beachteter Teil der Studie: der fragile Untergrund des Kraftwerks und die Erosionsgefahr, wodurch „[…] ein Versagen der Ufersicherung infolge Unterspülung […] nicht ausgeschlossen werden“ kann, heißt es im Exar-Bericht. Dabei beschränkt dieser sich auf Daten aus der Vergangenheit und berücksichtigt nicht die Überhitzung der Erde aufgrund der sich entwickelnden Klimakatastrophe. Bei Extremhochwasser drohen den AKW Beznau und Gösgen also zusätzliche Gefahren durch Erosion, eine vertiefte Prüfung wurde angeordnet.

Ein grundsätzliches Problem: das Bemessungshochwasser ist zu niedrig angesetzt wie sich jetzt zeigt, die bisherigen Maßnahmen reichen also nicht aus.

Hinzu kommt: Die Versiegelung ist leider vorangeschritten, statt zu Entsiegeln wurden die letzten Jahre – trotz wiederholter Warnungen und Proteste – reichlich neue Gewerbegebiete, neue Straßen und Autobahnen sowie neue Wohngebiete und Parkplätze geplant und gebaut! All das verschlimmert die Situation, es muss dringend gegengesteuert werden. Was wir brauchen ist eine ökologische Verkehrswende, ein Programm zur Entsiegelung und Begrünung, den sofortigen Stopp neuer Straßenprojekte – wie z.B. des Hochmoselübergangs bei Trier – und natürlich eine wirkliche Energiewende ohne Kohle- und Atomkraft.

26.07.2021 – Markus Pflüger

Quellen: