Kritische Debatte über die Laufzeitverlängerung des Atomkraftwerks Cattenom

Von | 29.05.2024

Laufzeitverlängerung auf mindestens 50 Jahre geplant

Die EDF (Électricité de France) plant, Block 1 des Atomkraftwerks Cattenom über das vierte Jahrzehnt hinaus ins fünfte Jahrzehnt zu betreiben. Diese Entscheidung sorgt für erhebliche Kontroversen. In diesem Zusammenhang hat die EDF eine öffentliche Anhörung durchgeführt, die jedoch freiwillig und nicht gesetzlich vorgeschrieben ist.

Aus Sicht des Anti-Atom-Netz Trier: Die Tatsache, dass diese Anhörungen nicht gesetzlich vorgeschrieben sind, zeigt, dass EDF die öffentliche Meinung nur bedingt berücksichtigen muss. Freiwillige Anhörungen können nicht die notwendige Transparenz und Einbeziehung der Bevölkerung gewährleisten, die bei einer so wichtigen Entscheidung erforderlich sind.

Öffentliche Debatte in Cattenom

Am Dienstag, den 14. Mai 2024, fand im Casino in Cattenom eine öffentliche Debatte statt, an der rund 150 Personen aus Frankreich, Luxemburg und Deutschland teilnahmen. Die Veranstaltung war Teil einer landesweiten Serie zur Laufzeitverlängerung der 1300 MW-Baureihe von Reaktoren, die unter der Federführung des HCTISN (hoher Ausschuss für Transparenz und Information für die nukleare Sicherheit) organisiert wurde. Eine Expert_innenrunde diskutierte die Thematik, gefolgt von kritischen Fragen aus dem Publikum. Eine Simultanübersetzung für deutschsprachige Teilnehmer_innen wurde angeboten.

Aus Sicht des Anti-Atom-Netz Trier: Die Teilnahme von 150 Personen im kleinen Dorf Cattenom zeigt das große öffentliche Interesse und die Bedenken gegenüber der Laufzeitverlängerung, obwohl EDF sich keine große Mühe in Bezug auf die Bekanntmachung und Bewerbung dieser Veranstaltungen gegeben hatte, weder in noch außerhalb Frankreichs. Dennoch stellt sich die Frage, ob diese Veranstaltungen ausreichen, um die Stimmen aller betroffenen Bürger_innen wirklich zu berücksichtigen, insbesondere wenn die Vertreter_innen kritischer Perspektiven oft erst auf Druck hin auf das Podium eingeladen werden.

Kontroverse Diskussion und Sicherheitsbedenken

Die Veranstaltung zeigte deutlich die Bedenken der Bürger_innen. Kritische Fragen zur Sicherheit, insbesondere angesichts der Klimakrisenfolgen wie zunehmender Trockenheit und extremer Wetterbedingungen, wurden intensiv diskutiert. Vertreter des Cattenom-Betreibers EDF betonten ihre Planungen und Maßnahmen, um die Sicherheitsstandards zu erhöhen. Cattenom-Direktor Jérôme Le Saint erklärte, Block 1 sei heute sicherer als vor 40 Jahren. Die EDF habe zahlreiche Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit implementiert, darunter zusätzliche Notfallsysteme und Kühlsysteme sowie eine Beton-Stabilisation unterhalb des Reaktors.

Aus Sicht des Anti-Atom-Netz Trier: Trotz der von EDF genannten Maßnahmen bleiben erhebliche Zweifel an der Sicherheit jetzt und vor allem in der Zukunft bestehen. Die Bedenken der Bürger_innen wurden nicht ausreichend entkräftet, insbesondere in Bezug auf die Unersetzbarkeit des Reaktordruckbehälters und die langfristigen Auswirkungen der voranschreitenden Klimakrise. Die technischen Maßnahmen der EDF erscheinen oft als kosmetische Korrekturen an einem veralteten System, um ein falsches Gefühl der Sicherheit zu erzeugen und die Bevölkerung zu beruhigen.

Gutachten von Greenpeace

Laut einem aktuellen Gutachten von Greenpeace Luxemburg gibt es „ernsthafte Sicherheitsdefizite“, die auch durch geplante Nachrüstungen nicht behoben werden können. Roger Spautz von Greenpeace hob hervor, dass die Anlage unzureichend gegen die Folgen der Klimakrise geschützt ist. Hohe Temperaturen, extreme Regenfälle und Stürme stellen ein erhebliches Risiko dar. Zudem sei der Schutz gegen Flugzeugabstürze und Terroranschläge ungenügend. Die seit Fukushima durchgeführten Nachrüstungen sowie die geplanten Maßnahmen erfüllten gar nicht alle offiziellen Sicherheitsvorschriften.

Spautz kritisierte auch die unzureichende Berücksichtigung der geänderten Umweltbedingungen, einschließlich der erhöhten Flugzeugdichte über dem Luxemburger Flughafen. Diese Faktoren erhöhen das Risiko für die Anlage, die ohnehin schon durch ihre lange Betriebsdauer belastet ist. Er forderte, dass der fast 40 Jahre alte Reaktor wie ursprünglich geplant im Jahr 2026 stillgelegt wird.

Aus Sicht des Anti-Atom-Netz Trier: Das Gutachten von Greenpeace Luxemburg unterstreicht die ernsthaften Sicherheitsmängel, die EDF nicht beheben kann. Die Forderung nach einer Stilllegung des Reaktors im Jahr 2026 – besser früher! – wird von uns voll unterstützt. Es ist unverantwortlich, die Laufzeit eines solchen Risikoreaktors zu verlängern, insbesondere angesichts der nicht ausreichenden Schutzmaßnahmen gegen moderne Bedrohungen und Umweltveränderungen.

Bürgerbeteiligung und Forderungen

Die Veranstaltung war geprägt von kritischen Beiträgen und Fragen aus dem Publikum. Verschiedene Atomkraftgegner_innen aus der Großregion forderten vehement, die Laufzeitverlängerung von Block 1 zu stoppen. Eine Teilnehmerin kritisierte die EDF dafür, sicherheitskritische Teile erst dann auszutauschen, wenn sie bereits radioaktiv kontaminiert sind, was die Risiken für die Arbeiter_innen erhöht.

Elisabeth Quaré vom Anti-Atom-Netz Trier, die als Vertreterin des BUND Trier-Saarburg auf dem Podium saß, betonte die Bedeutung der Risse im Rohrsystem unterhalb des Reaktordruckbehälters. Diese Rohre seien zwar ersetzt worden, aber die neuen Schweißnähte könnten immer wieder neue Korrosion hervorrufen. Der Reaktordruckbehälter selbst, der das Herz des Reaktors darstellt, könne überhaupt nicht ausgetauscht werden. Quaré wies darauf hin, dass dieser Behälter bereits seit 40 Jahren den enormen Kräften der Kernspaltung standhält und jederzeit Risse bekommen könnte. Diese Fakten blieben unwidersprochen stehen.

Weitere Sprecher_innen aus dem Publikum forderten mehr Transparenz und echte Beteiligung der Öffentlichkeit an den Entscheidungen über die Zukunft des AKWs. Der Vertreter des luxemburgischen Gesundheitsministeriums betonte die Wichtigkeit der Zusammenarbeit, forderte jedoch konkrete Maßnahmen wie einen sogenannten „Core Catcher“ und die Verstärkung des Dachs über dem Abklingbecken.

Luxemburger Teilnehmer_innen fragten, warum AKWs nicht versichert werden, worauf es leider keine Antwort gab, und wie eine Evakuierung im Falle eines russischen Angriffs auf das AKW aussehen würde. Die Antwort darauf lautete, dass eine Evakuierung angeblich nur im Bereich von 5 bis 15 km erforderlich sei und die Menschen vorher besser in Innenräumen bleiben sollten.

Ein Franzose fragte nach den Maßnahmen gegen Cyberattacken, ein anderer wollte wissen, ob durch die Laufzeitverlängerung zusätzlicher Atommüll auf dem Gelände gelagert würde. Dies wurde von den EDF-Vertretern verneint.

Aus Sicht des Anti-Atom-Netz Trier: Die vielen kritischen Fragen und Forderungen aus dem Publikum zeigen, dass die Bedenken weit verbreitet und ernsthaft sind. Es ist alarmierend, dass EDF auf wesentliche Fragen, wie die Versicherung von AKWs oder den Schutz vor Cyberattacken, keine befriedigenden Antworten geben konnte. Die Aussagen bezüglich der Evakuierungspläne sind lächerlich, die Katstrophenschutzpläne unzureichend und realitätsfern. Die Versprechungen über die Sicherheit und zukünftige Maßnahmen wirken oft vage und wenig überzeugend. Wir fordern daher eine umfassende und transparente Überprüfung und die Klärung aller kritischen Fragen.

Fazit des Anti-Atom-Netz Trier

Die geplante Laufzeitverlängerung des Atomkraftwerks Cattenom stößt auf erhebliche Bedenken und Widerstand in der Bevölkerung. Trotz der von EDF hervorgehobenen Sicherheitsmaßnahmen und Pläne zur Modernisierung bleibt die Tatsache bestehen, dass der Reaktor seit 40 Jahren in Betrieb ist und seine kritischen Komponenten wie der Reaktordruckbehälter nicht ersetzt werden können. Zudem sind die Bedrohungen durch die fortschreitende Klimakrise und moderne Sicherheitsrisiken wie Flugzeugabstürze und Cyberattacken nicht ausreichend adressiert.

Das aktuelle Gutachten von Greenpeace Luxemburg und die kritischen Stimmen bei der öffentlichen Debatte unterstreichen die Notwendigkeit einer umfassenden und transparenten Überprüfung der Sicherheit des AKWs. Die unzureichende Berücksichtigung der geänderten Umweltbedingungen und die unklaren Antworten auf wesentliche Fragen zur Sicherheit und Evakuierung im Notfall erhöhen das Misstrauen in die Betreiber und Aufsichtsbehörden.

Angesichts der ernsthaften Sicherheitsmängel und der hohen Risiken für die Region fordert das Anti-Atom-Netz Trier die sofortige Stilllegung des Block 1 des Atomkraftwerks Cattenom, und nicht erst zum ursprünglich geplanten Termin im Jahr 2026, sowie die sofortige Stilllegung der anderen Blöcke, die ebenfalls unter den gleichen Problemen leiden und ein ähnlich hohes Alter aufweisen. Eine weitere Laufzeitverlängerung ist unverantwortlich und gefährdet die Sicherheit der Bevölkerung. Nur durch eine sofortige Stilllegung kann gewährleistet werden, dass die Sicherheit und das Wohl der Menschen in der Großregion erhalten bleiben.