Aufruf zu regionalen Demonstrationen gegen die Atomindustrie, ihre Wiederbelebung und ihre Unfälle, am Wochenende vom 26. April 2024 in ganz Frankreich – dem Tag der Tschernobyl-Katastrophe vor 38 Jahren.
Frankreich auf dem Weg zu einer neuen atomaren Katastrophe?
Am 26. April 2024, fast vier Jahrzehnte nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl, warnen regionale Anti-Atomkraft-Aktionen vor den Risiken, die weiterhin von den laufenden Atomkraftwerken ausgehen, aber auch vor der Gefahr, die mit dem geplanten Bau neuer Atomkraftwerke einhergeht.
38 Jahre später, eine immer noch andauernde Katastrophe
Vor 38 Jahren ereignete sich die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl und sie ist immer noch im Gange. Der explodierte Reaktorkern bildet ein radioaktives Magma, das selbst unter einer abgedichteten Hülle noch sehr gefährlich ist.
In der Ukraine und in Weißrussland sind Wasser und Boden auf Tausenden von Quadratkilometern für Zehntausende von Jahren verseucht. Die Bevölkerung konsumiert weiterhin und auch in Zukunft kontaminierte Lebensmittel (Gemüse, Obst, Fleisch, Milch…), die sich auf ihre Gesundheit auswirken, und heute leiden 80 % der Kinder an Krankheiten. Das ist ein Merkmal von Atomunfällen: Sie dauern auf unbestimmte Zeit an. Auch in Fukushima wird weiterhin Radioaktivität freigesetzt….
Die Zahl der Toten durch die atomare Katastrophe von Tschernobyl ist immer noch nicht bekannt: Menschen sterben immer noch an deren Folgen. Nach Angaben des ukrainischen Gesundheitsministeriums starben zwischen 1997 und 2006 179.046 Liquidatoren. Wie viele bereits vorher und wie viele noch seitdem?
Damals wagten es die französischen Atomschutzbehörden zu behaupten, die radioaktive Wolke habe an unseren Grenzen Halt gemacht. Seitdem hat man die Organisation des Atomschutzes in Frankreich reformiert. Doch der jüngste Gesetzentwurf zur Zusammenlegung der Behörde für nukleare Sicherheit (Autorité de Sûreté Nucléaire) und des Instituts für Strahlenschutz und nukleare Sicherheit (Institut de Radioprotection et de Sûreté Nucléaire) ermöglicht die Rückkehr zur Situation zum Zeitpunkt von Tschernobyl: ein Rückschritt um fast 40 Jahre in Bezug auf die Informationslage.
In Frankreich bringen uns die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken, die Wiederaufnahme von Reaktorprojekten und die Reform der ASN (Autorité de Sûreté Nucléaire) und des IRSN (Institut de Radioprotection et de Sûreté Nucléaire) in Gefahr
In diesem Jahr hat der Tag, an dem der Katastrophe von Tschernobyl gedacht wird, eine besonders bittere Bedeutung. Der Präsident hat nämlich angekündigt, das zivile und militärische Atomprogramm schnell wieder in Gang zu bringen. Und um schneller voranzukommen, hat er beschlossen, sich über eine Reihe von gesetzlichen Vorsichtsmaßnahmen hinwegzusetzen. Dabei sind wir in Frankreich schon mehrmals knapp an einer Katastrophe vorbeigeschrammt (z. B. partielle Kernschmelze in Saint Laurent des Eaux 1969 und 1980).
Die Regierung wagt es, den Bau von sechs EPR2 mit einer Einzelleistung von 1650 MW anzukündigen, die in Frankreich noch nie zuvor gebaut wurden. Und das, obwohl EDF es immer noch nicht geschafft hat, den Bau des EPR1 in Flamanville abzuschließen. Der Bau dauert nun schon 17 Jahre, aber der Stahl des Deckels und des Bodens entsprechen nicht den Anforderungen. Und es besteht der Verdacht auf Fälschungen bei anderen Teilen, die Rechnung ist laut Rechnungshof um das Sechsfache gestiegen.
Präsident Macron gibt außerdem vor, eine SMR (Small Modular Reactor)-Industrie zu starten, bei dem sogar die USA das Handtuch geworfen haben. Bisher gibt es in Frankreich nur vage Pläne für SMRs.
Schließlich plant er, die Laufzeit der bestehenden Kraftwerke noch weiter zu verlängern: Das wird nicht nur teure Revisionen nach sich ziehen (laut Rechnungshof rund 100 Milliarden Euro), sondern ist auch besonders gefährlich, sowohl was den täglichen Betrieb (Korrosionen und Lecks) als auch das Unfallrisiko angeht.
Gleichzeitig spitzt sich in Bure die Lage für CIGEO zu, dieses unvorstellbare Projekt, gefährliche Abfälle unumkehrbar für Hunderttausende von Jahren in 500 Metern Tiefe zu vergraben.
Die Wiederbelebung betrifft auch das Militär. Die Armee plant, das AKW Civaux zu nutzen, um durch die Bestrahlung von Lithium Tritium für militärische Zwecke herzustellen (zusätzlich zu dem Tritium, das bereits legal in das Wasser geleitet wird). Welches zusätzliche Katastrophenrisiko birgt das?
Regionale Aktionen gegen die Wiederbelebung und Verlängerung der zivilen und militärischen Atomkraft
Auf den Aufruf der Anti-Atomkraft-Koordination hin werden wir daher an diese Katastrophe erinnern. Auch dieses Mal werden wir unseren radikalen Widerstand gegen die Wiederbelebung der tödlichen zivilen und militärischen Atomindustrie mit Veranstaltungen in ganz Frankreich vom 26. bis 28. April demonstrieren:
- Im Südwesten mit einem Treffen in Golfech, einer Demonstration in Bordeaux und einem Treffen in Saintes
- Im Nordosten mit einer Demonstration in Cattenom
- Im Nordwesten in La Bernerie-en-Retz, Le Mans, Nantes und Caen
- Im Südosten mit einem Treffen in Lyon
- Auch in der Pariser Region finden Veranstaltungen statt
Im Laufe des Jahres 2023 gründete sich eine Anti-Nuklear-Koordination und verfasste ihre Raisons d’Être (Gründe für das Sein).
Am 12. März 2024, dem Tag nach dem Jahrestag des Beginns der Fukushima-Katastrophe, fand in Straßburg eine europäische Menschenkette statt.
Am 23. März gab es in Caen eine wichtige Demonstration gegen den Start des EPR1 in Flamanville.
Gemeinsam mit vielen Stimmen rufen wir zu regionalen Demonstrationen vom 25. bis 28. April und zu einer nationalen Veranstaltung am 12. Oktober auf.
Kontakt: coord-antinuk@riseup.net